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Dieter Meischner, (Hrsg. der dt. Ausgabe): „Europäische Fossillagerstätten“

Koordination: Giovanni Pinna (Milano) im Auftrag der Europäischen Paläontologischen Gesellschaft (European Palaeontological Association)
Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York etc., 2000, 264 Seiten, 142 Abb., 102 farbige Abb. auf Tafeln, Großformat, Gebunden


Nachfolgend eine Rezension von Manfred Stephan:

Studium Integrale Journal, 8. Jahrgang / Heft 1 – April 2001, Seite 47 – 48

In diesem Sammelband werden 22 europäische Fossilfundstellen von insgesamt 35 Paläontologen beschrieben. Alle haben an der Erforschung mindestens einer Fossillagerstätte mitgewirkt. Nach dem Herausgeber soll das Buch „allgemeinverständlich, aber nicht populärwissenschaftlich sein“; es enthält Texte „im streng akademischen Stil“, aber auch solche „in schlichter Sprache“. Es „soll mehr sein als ein Bilderbuch, aber auch kein Lehrbuch, und sollte doch von beiden etwas haben“. Jedenfalls sind die Artikel „voller Fachtermini“ (7), und deshalb ist dem Band ein Glossar beigegeben (237-241).

Zu Eingang werden kurz Ziele und Methoden der Paläontologie vom Präsidenten der European Palaeontological Association, J.-C. Gall (Straßburg), beschrieben (9-12). 5 Beiträge sind dem Paläozoikum gewidmet, 9 dem Mesozoikum und 7 dem Känozoikum (davon der letzte dem Pleistozän). Vor jedem dieser Gruppen (Äratheme) wird jeweils in knapper Form in die Geologie Europas während jener Zeit eingeführt (Plattentektonische Lage, Gesteine, Lebewelt, Klima). Vorangestellt ist das Präkambrium; hier wird auf eine Einführung verzichtet und sofort die (vergleichsweise wenigen) Fundorte jüngst-präkambrischer Ediacara-Fossilien aus Europa vorgestellt (13-16). Es macht gleich den Anfang des Buches interessant, daß nach dem Bearbeiter, S. Conway Morris (Cambridge), die Ediacara-Fossilien (benannt nach einer Fundstelle in Australien) doch Vorläufer späterer skeletttragender Fossilien gewesen seien. Er steht der weithin anerkannten Hypothese von Seilacher (2000), der in diesen Organismen ein ganz andersartiges „Experiment“ frühen Lebens sieht, skeptisch gegenüber (vgl. Stephan 1994). Conway Morris führt auch neu entdeckte Ediacara-typische Fossilien von Fundstellen aus dem Unter-, Mittel- und Oberkambrium an (14f.), die es nach dem Präkambrium nicht mehr geben sollte, wenn Seilachers Hypothese zutreffend wäre. Demnach seien die Ediacara-Organismen nämlich wehrlos gewesen und hätten dem im Unterkambrium beginnenden „evolutionären Wettrüsten mit Zähnen und Klauen“ nichts entgegenzusetzen gehabt. Die Forschung bleibt also spannend.

Einige außerdeutsche Fossillagerstätten, die vielleicht weniger bekannt sind, seien besonders erwähnt. So der Rhynie-Chert (Unterdevon, Schottland) mit seinen bis in feinste Details erhaltenen, verkieselten, einfach gebauten Pflanzen (28-35), der einmalige Gliederfüßer führende kleine Steinbruch von East Kirkton in Schottland (45-48; Unterkarbon) oder die weniger bekannte Lagerstätte mariner Tiere von Osteno am Luganer See (91-96; Unterjura, Sinemur-Stufe; Norditalien). Wenig bekannt ist auch die einmalige Fundstätte fossiler Blüten von Åsen in der Oberkreide Südschwedens (151-154), die reichhaltige Fossillagerstätte von Las Hoyas in Spanien (Unterkreide), die auch wohlerhaltene Vögel geliefert hat (155-160), oder dem durch Kieselsäure-Lösungen bis in Details der Pflanzenzellen versteinerte Wald der griechischen Ägäis-Insel Lesbos (Obermiozän, Tertiär; 219-222). Kaum bekannt sein dürfte hierzulande der eiszeitliche (quartäre) Ölsumpf bei Starunia (Ukraine), der Fundstelle einiger „mit Haut und Haaren“ erhaltener Mammuts und wollhaariger Nashörner aus der letzten (Weichsel-) Kaltzeit (232-236), deren Erforschung sich aus politischen Gründen immer wieder verzögerte.

Die bekannten mitteleuropäischen Konservat-Fossillagerstätten mit ihren wunderbar erhaltenen Fossilien fehlen natürlich in dem Band nicht. Dabei handelt es sich um fossilführende Schichtfolgen, die gekennzeichnet sind durch unvollständige Zersetzung der Eiweißstoffe. Sie überliefern daher zum Teil organische Skelettsubstanzen und zusammenhängende Skelette (Seilacher 1970). So der unterdevonische Hunsrückschiefer (36-44), der Voltzien-Sandstein der Nord-Vogesen (Untertrias; 72-77), der Grenzbitumen-Horizont am Monte San Giorgio in der Südschweiz/Norditalien (Mitteltrias; 83-90), der Posidonienschiefer Südwestdeutschlands (Unterjura, Toarc-Stufe; 137-142) und besonders der Solnhofener Plattenkalk in Bayern, die Fundstelle des „Urvogels“ Archaeopteryx (Oberjura; 143-150). Recht bekannt ist hierzulande auch die eozäne Korallenfisch-Lagerstätte bei Bolca (Veronese, Südalpen) in Norditalien (Alttertiär, Eozän; 172-176), die Fundstelle bei Willershausen am Rand des Westharzes (Jungtertiär, Pliozän; 223-228) und besonders die Grube Messel bei Darmstadt (Alttertiär, Eozän; 177-183).

In den Band wurden auch Fossilfundstätten aufgenommen, die zwar bedeutsam sind, aber keine Konservat-Lagerstätten darstellen. So das Kambrium bei Jince (21-23) und das Ordovizium bei Rokycany in Tschechien (24-27). Oder – unter anderem – die Fleckenriffe der Cassianer Schichten in den Dolomiten (Trias; 78-82) sowie die Muschelsande („Faluns“) des Pariser Beckens (Miozän, Jungtertiär; 214-218).

Geschwindigkeit der Sedimentation und Lagerstättenbildung

Am interessantesten ist natürlich die vielbehandelte Frage, wie die Konservat-Fossillagerstätten entstanden sind. Seit langer Zeit stehen sich Vertreter geringer und höherer Sedimentationsraten gegenüber. Soweit sich die Autoren dazu äußern, treten Rieber (87.89; Grenzbitumenzone), Franzen & Schaal (180; Messel), Meischner (225-7; Willershausen) und anscheinend – er äußert sich nicht explizit – Oschmann (140; Posidonienschiefer) für eine langsame Ablagerung und Fossileinbettung ein. Aber z.B. schon Ehrenberg (1929) hat für eine ziemlich beträchtliche Sedimentationsgeschwindigkeit plädiert, da sonst die Skelette (Seelilien und Wirbeltiere) vollständig zerfallen wären. Für eine höhere Sedimentationsrate bzw. zumindest eine schnelle Einbettung der guterhaltenen Fossilien treten ein Jahnke & Bartels (43f.; Hunsrückschiefer), Gall & Grauvogel-Stamm (73; Voltzien-Sandstein), Viohl (147-9; Solnhofener Plattenkalk), Sanz et al. (160; Las-Hoyas) und Sorbini (174; Bolca). Viohl (147) macht ferner darauf aufmerksam, daß ein lebensfeindliches, sauerstofffreies Bodenmilieu ohne Aasfresser für eine gute Fossilerhaltung nicht ausreicht, denn anoxische Bedingungen verhindern nicht den Zerfall der auf dem Sediment liegenden Tierleiche. Auch unter anoxischen Bedingungen können die organischen Bestandteile, sogar Knochen, Schalen oder Gehäuse, durch anaerobe Mikroben vollständig abgebaut werden (Wuttke 1983; Gall & Krumbein 1992). Die Tierleiche muß vielmehr schnell eingebettet werden, und das heißt: zumindest die bedeckende Sedimentbank muß rasch abgelagert worden sein (Mehl 1990; Seilacher 1990; Jäger 1993). Aber nicht nur die Entstehung einzelner Kalklagen war jeweils ein Kurzzeit-Ereignis (z.B. Röper et al. 1999). Anhand von Fossilien, die in bestimmter Weise im Solnhofener und Nusplinger Plattenkalk eingebettet sind, konnte neuerdings gezeigt werden, daß auch mehrere Kalkbänke „sehr rasch“ nacheinander abgelagert worden sein müssen (Viohl 1998; Schweigert 1999; vgl. Bantel et al. 1999).

In evolutionstheoretischer Hinsicht ist noch erwähnenswert: Balanerpeton (East Kirkton, Schottland; Unterkarbon) ist der geologisch älteste Temnospondyle (= Schnittwirbler, eine Gruppe der Amphibien; die Wirbelkörper bestehen aus getrennten Knochenstücken). „Aber eine entwicklungsgeschichtlich ältere Form ist aus jüngeren Schichten bekannt“ (Taylor; 47). Auf eine ähnliche Unstimmigkeit in der evolutiv erwarteten Reihenfolge wird bezüglich einer Dinosaurier-Abfolge (Ornithomimosaurier) hingewiesen (Las Hoyas, Spanien; Unterkreide; Sanz et al; 159).

Insgesamt ein Buch für Interessierte an und Bearbeiter von Konservat-Fossillagerstätten sowie für Freunde „schöner“ Fossilien, die sich nicht scheuen, etwas tiefer in die Tasche zu greifen.

Literatur

  • Bantel G, Schweigert G, Nose M & Schulz H-M (1999) Mikrofazies, Mikro- und Nannofossilien aus dem Nusplinger Plattenkalk (Ober-Kimmeridgium, Schwäbische Alb). Stuttgarter Beitr. Naturk., B 279, 1-55.
  • Ehrenberg K (1929) Zur Sedimentationsgeschwindigkeit der Holzmadener Ölschiefer. Paläont. Z., 11, 193.
  • Gall J-C & Krumbein WE (1992) Weichkörperfossilien. Fossilien 9, 35-49.
  • Jäger M (1993) Das Fossilienmuseum im Werkforum. Dotternhausen (Rohrbach Zement).
  • Mehl J (1990) Fossilerhaltung von Kiemen bei Plesioteuthis prisca (Rüppell) 1829 (Vampyromorpha, Cephalopoda) aus untertithonen Plattenkalken der Altmühlalb. Archaeopteryx, 8, 77-91.
  • Röper M, Leich H & Rothgaenger M (1999) Die Plattenkalke von Pfalzpaint. Eichendorf (Eichendorf-Verlag).
  • Schweigert G (1999) Erhaltung und Einbettung von Belemniten im Nusplinger Plattenkalk (Ober-Kimmeridgium, Beckeri-Zone, Schwäbische Alb). Stuttgarter Beitr. Naturk., B273, 1-35.
  • Seilacher A (1970) Begriff und Bedeutung der Fossil-Lagerstätten. N. Jb. Geol. Paläont., Mh., 1970, 34-39.
  • Seilacher A (1990) Die Holzmadener Posidonienschiefer – Entstehung der Fossillagerstätte und eines Erdölmuttergesteins. In: Weidert WK (Hrsg.) Klassische Fundstellen der Paläontologie, Bd. 2, 107-131. Korb (Goldschneck).
  • Seilacher A (2000) Leben im Präkambrium. Naturwissensch. Rundsch., 53, 553-558.
  • Stephan M (1994) Neuere Forschungen zur Lebewelt im Kambrium und Jung-Präkambrium – ein Überblick. Stud. Int. J. 1, 4-11.
  • Viohl G (1998) Die Solnhofener Plattenkalke – Entstehung und Lebensräume. Archaeopteryx, 16, 37-68.
  • Wuttke M (1983) Aktuopaläontologische Studien über den Zerfall von Wirbeltieren. Teil I: Anura. Senck. Leth., 64, 529-560.