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Extreme Lebenskünstler auf der Venus?

Die Kunst, eine Nachricht schmackhaft zu machen, ist für Journalisten ein unverzichtbarer Bestandteil ihrer Tätigkeit. Doch manchmal treibt sie seltsame Blüten. In einem jüngst veröffentlichten Video auf dem Wettervorhersageportal wetteronline.de heißt es zu Beginn:

„Gibt es Leben auf unserem Nachbarplaneten Venus? Sollte sich die Entdeckung mikrobiellen Lebens auf unserem Nachbarplaneten bestätigen, würde dies unser bisheriges Bild des Kosmos in seinen Grundfesten erschüttern. Die Entstehung von Leben wäre dann keine von einer schier unglaublichen Kette außergewöhnlicher Zufälle abhängige Ausnahme mehr – sondern der Regelfall.“

Abgesehen von der üblichen Selbstverständigkeits-Floskel „Leben ist das Resultat vieler absolut außergewöhnlicher Zufälle“ wird hier in einem unsachgemäß dramatisierenden Ton ein nach bisherigem Wissensstand überraschender wissenschaftlicher Befund kommentiert: Hinweise auf die Phosphorverbindung Phosphan (PH3) in der Venusatmosphäre. (In der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichung wird die Bezeichnung Phosphin benutzt, die auch in der in der Fachsprache benutzt wird, aber formal nicht richtig ist; die korrekte Bezeichnung ist Phosphan.) Dieses Gas gilt als mögliches „Biosignaturgas“, da dessen Entstehung auf einem Gesteinsplaneten bisher nicht durch geologische Ursachen erklärt werden kann.

In einem kürzlich publizierten Nature-Artikel wird eine ganze Reihe an denkbaren Quellen von Phosphan diskutiert und ausgeschlossen, um dann auch Leben als zumindest denkbare Ursache zu erwähnen. Die Wissenschaftler sind allerdings wesentlich vorsichtiger in der Präsentation der Ergebnisse als Journalisten. Schließlich ist bisher nichts weiter als ein für Phosphan typisches, langwelliges Absorptionssignal detektiert worden, nicht das Molekül selbst. So heißt es denn auch am Ende des wissenschaftlichen Artikels: „Auch wenn es sich bestätigt hat, betonen wir, dass der Nachweis von PH3 kein zuverlässiger Hinweis auf Leben ist, sondern auf eine ungewöhnliche und unerklärte Chemie.“

Es wäre allerdings bei all den theoretischen Erwägungen interessant zu überlegen, wie Lebewesen beschaffen sein müssten, um Temperaturen von 400 °C in der tieferen Venusatmosphäre überstehen zu können oder in Wolken aus 90% Schwefelsäure existieren zu können.  Bei allem, was wir bisher über Leben wissen, ist das unmöglich.