Podiumsdiskussion über Schöpfung und Evolution an der PH Freiburg
Es kommt nicht häufig vor, dass Mitarbeiter der Studiengemeinschaft Wort und Wissen zu Disputen mit Befürwortern der Evolutionslehre eingeladen werden. Eine solche Diskussionsveranstaltung wurde am 12. Januar 2015 von der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Freiburg-Littenweiler (www.khg-littenweiler.de) durchgeführt. Wir nehmen an, dass sich viele Freunde unserer Arbeit für den Verlauf dieser Veranstaltung interessieren und bringen daher an dieser Stelle einige Streiflichter über diesen Disput.
Als einer der Disputanten erhebe ich natürlich nicht den Anspruch, über Verlauf und Ergebnis dieser Veranstaltung unvoreingenommen berichten zu können. Darum soll es in dem nachfolgenden Bericht auch nicht in erster Linie gehen; vielmehr möchte ich einige Beobachtungen weitergeben und kommentieren.
Die Veranstaltung der KHG stand unter der Überschrift „’Im Anfang schuf Gott‘ …? Schöpfungslaube und Evolutionstheorie im Widerstreit“. Geladen waren vier Referenten, der Biologe Prof. Dr. Werner Rieß, der Theologe Dr. Christian Höger (beide PH Freiburg), der Biologe Prof. Dr. Ulrich Kutschera (Universität Kassel/Stanford) und ich. Die Einführung des Abends übernahm der theologische Hochschulseelsorger und Pastoralreferent Jörg Winkler und die Diskussionsleitung hatte der Diplom-Biologe Andreas Braun. Nach einer Einführung in die Kontroverse um Schöpfung und Evolution durch den Moderator hatten die vier Referenten fünf Minuten Zeit, ihre Thesen vorzustellen. Darüber wurde anschließend ca. eine Stunde lang unter den Referenten diskutiert, ehe auch einige Publikumsfragen an die Referenten gerichtet werden konnten.
Das Kleine Auditorium der PH Freiburg war gerammelt voll, es mussten Dutzende Stühle zusätzlich geholt werden. Die Veranstalter zählten laut Mitteilung auf „facebook“ knapp 200 Besucher, die meisten davon Studenten, aber auch eine Anzahl sonstiger Interessenten (es war auch über die örtliche Presse eingeladen worden). Die Diskussion verlief weitgehend sachlich und meist in angemessenem Ton. Die KHG hat auf ihrer Homepage einige Bilder von der Veranstaltung veröffentlicht: www.khg-littenweiler.de/bilder_150112_evolution.html (nicht mehr verfügbar, Stand 16.7.2019).
Nun zu einigen Beobachtungen:
1. Der Design-Ansatz in der Biologie wurde – nicht überraschend – von meinen Kontrahenten heftig kritisiert. Es zeigte sich dabei, dass über diesen Ansatz wenig bekannt ist. Das wurde zum Beispiel deutlich durch Aussagen wie: Man könne Gott nicht im Reagenzglas finden; Gott als Seinsgrund sei nicht in der Petrischale untersuchbar. – Natürlich nicht; genauso wenig findet man den Erfinder des Computers in meinem Büro.
Oder: Solange noch irgendeine evolutionstheoretische Frage offen bleibe, glaube man seitens der Anhänger des Design-Ansatzes ein Argument für einen Schöpfer zu haben. – In Wirklichkeit findet man Hinweise auf einen Schöpfer in den Dingen, die man durch Forschung herausfindet, also in den Dingen, die man weiß, und die ganze belebte Welt (auch die unbelebte) ist voll von solchen Hinweisen.
Ein drittes Beispiel: Es wurde kritisiert, dass „Intelligent Design“ keine Naturwissenschaft sei. Das ist zwar richtig, wird aber auch gar nicht behauptet; vielmehr geht es darum, die Ergebnisse der Naturwissenschaft in Bezug auf Ursprungsfragen zu bewerten.
Ich vermute, dass allgemein kaum jemand, der den Design-Ansatz in der Biologie vehement ablehnt, in nennenswertem Umfang Originalliteratur der Befürworter dieses Ansatzes gelesen hat. Umso tiefer scheinen die Vorurteile gegen diesen Ansatz zu sitzen, was sich auch darin zeigte, dass trotz meiner Klarstellungen z. T. dieselben Einwände wiederholt geäußert wurden. Die im Eingangsstatement (siehe Anlage) genannten Punkte fanden leider keinen Widerhall.
2. Gemessen an der Zahl der konkret benannten Beispiele nahm das Argument, es gebe schwerwiegende Konstruktionsfehler bei den Lebewesen, großen Raum ein (sowohl von Prof. Kutschera als auch von Prof. Rieß wurden mehrere Beispiele gebracht). Dieses Argument lässt sich heute in vielen Fällen besser denn je entkräften; dazu gleich mehr. Interessant finde ich, dass man diesem Argument so großes Gewicht beimisst – es begegnet mir auch sonst ausgesprochen häufig –, obwohl doch unabhängig davon Evolution als längst bewiesen gilt (was auch beim Disput in Freiburg betont wurde). Ich vermute, dass die hervorragenden Designs der Lebewesen doch nachhaltigen Eindruck hinterlassen, und so wird versucht, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Damit ist aber auch klar: Wenn das Konstruktionsfehler-Argument zurückgewiesen werden kann, wird das Design-Argument (gegen das es gerichtet ist) gestärkt. Denn wenn die Lebewesen erschaffen wurden, sind ausgeklügelte Konstruktionen der Lebewesen zu erwarten, was bei einer blind verlaufenden Evolution nicht der Fall ist (deswegen wird ja auch behauptet, es komme evolutionsbedingt zu Fehlern).
Vier Beispiele von „Pfusch“, die beim Freiburger Disput genannt wurden, seien nachfolgend genannt; ich gebe dazu Hinweise auf Texte, in denen auf das betreffende Beispiel eingegangen wird:
- Die Wirbelsäule des Menschen sei fehlkonstruiert. – Dazu siehe „Das Kreuz mit dem ‚Kreuz‘ – Was man mit Evolution alles erklären kann!“: genesisnet.info/schoepfung_evolution/n67.php
- Das zentrale Enzym der pflanzlichen Photosynthese, die Rubisco, wurde als „Lachnummer“ bezeichnet. – Warum im Gegenteil dieses Enzym ausgezeichnet arbeitet, kann man im Abschnitt „Rubisco – eine Fehlkonstruktion?“ im Artikel „Die Evolution der C4-Pflanzen“ unter www.si-journal.de/jg15/heft1/sij151-1.html nachlesen.
- Schlammspringer könnten als Fische nicht dauerhaft im Wasser leben. Warum darin eine Fehlkonstruktion zu sehen sei, wurde nicht erklärt. Man könnte auch sagen, Gott hat Humor.
- Die Konstruktion des Linsenauges mit der inversen Netzhaut und dem daraus resultierenden blinden Fleck wurde ebenfalls genannt; das ist eines der meist angeführten Beispiele angeblicher Fehler. – Dass hier jedoch keine Fehlkonstruktion vorliegt, ist immer wieder in vielerlei Hinsicht nachgewiesen worden, siehe z. B. www.si-journal.de/jg13/heft1/sij131-1.html oder ganz aktuell: www.spektrum.de/news/lichtleiter-schichtdienst-im-auge/1299836.
3. Professor Rieß behauptete, die verschiedenen Auflagen von „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ würden Rückzugsgefechte der Autoren demonstrieren. Diese Einschätzung hat kurz nach Erscheinen der 7. Auflage im Herbst 2013 Heinz-Hermann Peitz in einem Internetartikel des „Forum Grenzfragen“ geäußert www.forum-grenzfragen.de/aktuelles/191113-kreationistische-rueckzugsgefechte.php – Link nicht mehr verfügbar, Stand: 16.7.2019. Später wurde diese Behauptung auch im „Laborjournal“ in die Welt gesetzt. Im Wesentlichen beruht diese Einschätzung auf einem einzigen Beispiel, auf wenigen vorsichtigeren Formulierungen und auf selektiven Zitationen ohne Beachtung des jeweiligen Zusammenhangs – ein typischer Fall dafür, wie man aus einer Mücke einen Elefanten macht und aus der Tugend (Kritik zu verarbeiten) eine vermeintliche Not macht („Rückzugsgefecht“). Ich hatte Herrn Peitz damals darauf hingewiesen, dass man zu einer solchen Einschätzung nur durch eine sehr selektive Lektüre gelangen könne; es gebe Gebiete, in denen die evolutionskritischen Argumente stärker seien als früher. Ein seriöser Vergleich bezieht sich auf das ganze Buch, nicht auf ganz wenige herausgepickte Beispiele, die zudem noch tendenziös präsentiert werden. Die Sache war aber bereits in die Welt gesetzt und tauchte nun wieder auf. Offenbar bleiben solche Fehleinschätzungen haften und man kann sie kaum zurückholen.
4. Dr. Höger legte als Theologe Wert auf die Feststellung, dass es sich bei den biblischen Aussagen über Schöpfung um „Glaubensaussagen“ handle. Das klingt vielleicht gut und wird oft gesagt. Aber man muss nachfragen: Was ist denn der Inhalt dieser Glaubensaussagen? Kann dazu nichts Klares gesagt werden, ist diese Aussage nichtssagend und substanzlos. Interessanterweise bohrte an dieser Stelle Prof. Kutschera nach und forderte eine Definition Gottes, wo doch Gott in eine naturalistisch verstandene Evolution eingebaut werde. Natürlich ist die Forderung nach einer Definition Gottes überspitzt, aber wenn man wie die PH-Dozenten eine rein natürliche Evolution mit Schöpfungsglauben verbinden will – was Standard in der Theologie ist –, stellt sich die Frage nach Gottes Wirken unabweislich. Formeln wie „Gott macht, dass die Dinge sich selber machen“, sind Scheinantworten, auch wenn das gerne mit „moderne Schöpfungstheologie“ etikettiert wird (vgl. dazu den Artikel „Das Design-Argument und der Bastler-Lückenbüßer-Gott“ unter www.wort-und-wissen.de/artikel/a07/a07.pdf).
Die eingangs in meinem Statement angesprochenen Zusammenhänge zwischen den Anfängen der Menschheit, Einbruch von Sünde und Tod und Erlösung durch Jesus Christus wurden nicht aufgegriffen (siehe Anhang).
Noch ein Schmankerl zum Schluss. Von Prof. Rieß wurden drei Kennzeichen von „Fundamentalismus“ genannt: Die Auffassung, dass die eigene Interpretation die einzig wahre sei, dass Befunde nicht zur Kenntnis genommen würden und eine Neigung zur Hybris. Zugleich wurde die Evolutionsanschauung als nicht mehr hinterfragbar hingestellt. Wie war das also mit dem „Fundamentalismus“? Für das von der Mehrheit akzeptierte und als unumstößlich geltende Modell der Evolution scheint die Kennzeichnung als Fundamentalismus nicht zu gelten.
Anhang: Thesen von Reinhard Junker, die eingangs des Disputs präsentiert wurden
(in Klammern mündliche Erläuterungen)
Wissenschaftstheoretische Aspekte
- Bei Fragen um Schöpfung und Evolution geht es um Naturgeschichte (erstmalige Entstehung), nicht nur um Naturwissenschaft.
(Naturwissenschaft wird natürlich genutzt, ist aber nicht alleine zuständig.) - Wissenschaftliche Forschung soll helfen, die tatsächliche Entstehungsweise herauszufinden.
(… und nicht unbedingt eine natürliche. Denn was ist, wenn es eine natürliche Entstehung gar nicht gibt bzw. es nicht nur natürlich zuging?) - Ob bei der Entstehung der Lebewesen nur blinde, nichtgeistige Naturprozesse eine Rolle spielen, ist Gegenstand der Forschung. Eine Vorfestlegung auf den Naturalismus ist nicht gerechtfertigt.
(… auch nicht auf einen methodischen Naturalismus, denn wenn man das mögliche schöpferische Handeln methodisch ausschließt, wird man dafür auch nie Indizien finden.) - Aus 2. und 3. folgt: Eine ergebnisoffene, wahrheitsorientierte Forschung hält die Option „Schöpfung“ (geistige Verursachung) offen.
Biologische Aspekte
- Zahlreiche biologische Daten (Indizien) lassen sich im Rahmen einer allgemeinen Evolution der Lebewesen befriedigend deuten. Es handelt sich aber nicht um Beweise und es gibt auch schwerwiegende widersprechende Befunde.
- Die wesentlichen Fragen der kausalen Evolutionsforschung sind nicht geklärt: Entstehung des Lebens, Entstehung neuer Bauelemente, Entstehung von Geist, Bewusstsein, Moral.
(Gibt es einen natürlichen Mechanismus, der sich letztlich auf blinde physikalisch-chemische Prozesse zurückführen lassen muss?) - Lebewesen zeichnen sich durch hochkomplexe Zweck-Mittel-Strukturen aus, die sehr deutlich auf eine geistige Verursachung (Schöpfung) hinweisen: „Design-Indizien“.
(Beispiele: Nichtreduzierbare Komplexität; Plastizität, Regelkreise u. a.. Das zeigt sich auch in der verwendeten Sprache in der Biologie.)
Theologische Aspekte
- Evolution bedeutet Entwicklung durch Zufallsmutation (ungerichtete Änderung), Konkurrenz und Auslese, Tod und Aussterben. Schöpfung dagegen bedeutet Wille, Plan, Zielorientierung, Kreativität.
(Wie soll beides zusammenpassen?) - Die ersten Schritte der Menschheit stehen (biblisch gesehen) in engem Zusammenhang mit dem Kommen und Wirken Jesu Christi: Adam (Sünde → Tod) und Christus (Rechtfertigung → Leben) werden einander gegenübergestellt.
- Jesus Christus ist Mensch geworden, um die Sünde der Menschen stellvertretend auf sich zu nehmen und hat durch sein Leiden und seine Auferstehung den Tod besiegt. In einem evolutionären Szenario bricht dieser Zusammenhang auseinander.
(weil es weder das erste Menschenpaar gibt, keinen Einbruch von Sünde und Tod als dunkler Hintergrund für das Kommen und Wirken Jesu, wie es die NT-Autoren beschreiben und deuten.)