Die naturwissenschaftliche Forschung von „Wort und Wissen“ – eine Bilanz
Inhalt
- Verdienste der Schöpfungsforschung
- Offene Fragen in der Schöpfungslehre
- Mögliche Mißverständnisse und notwendige Klarstellungen
- Konsequenzen und Ausblick
Schöpfungsforschung1 geschieht in der Gewißheit, daß Gottes Wort ewige Gültigkeit besitzt, während menschliches Wissen vorläufig und fehlbar ist. Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen möchte – wie es ihr Name ausdrückt – beides zusammenbringen: Wissen auf der Grundlage der biblischen Überlieferung zu deuten. Zu Beginn der Arbeit in Deutschland bestand aufgrund einiger gewichtiger Kritiken an der Evolutionslehre die Hoffnung, den Ansatz der Evolution relativ leicht überwinden zu können. Dadurch wurde oft der Eindruck erweckt, die naturwissenschaftliche Schlacht sei eigentlich geschlagen. Das müsse lediglich noch bekannt gemacht werden. Nur wer grundsätzlich den Schöpfer nicht anerkennen wolle, bleibe bei der wissenschaftlich unbegründeten Evolutionsanschauung; die Fakten stünden klar gegen ihn. Dieser Eindruck scheint nicht nur in der Schöpfungsfrage verbreitet zu sein, sondern auch in der Sintflutthematik: Uns begegnet oft dieMeinung, es sei im Wesentlichen geklärt, wie die biblische Sintflut mit der Fossildokumentation und den Daten der verschiedenen Sparten der Geowissenschaften zusammenzubringen ist. Die Jahrmillionen der Evolutionslehre gelten als schlecht begründet oder sogar als willkürliche Annahme. Dazu kommt nicht selten die Auffassung, die Wissenschaftler würden prinzipiell nur sehen, was sie sehen wollen, und alle Daten (bewußt?) übersehen, die nicht ins evolutionäre Weltbild passen.
Bei tieferem Eindringen in die Problematik aber stößt man auf Schwierigkeiten. Mehr und mehr wird deutlich, daß solche Einschätzungen nicht realistisch sind und zu einer falschen Setzung von Prioritäten bei der Gewichtung der Arbeitsbereiche führen können. Daher halten wir es für notwendig, die nachfolgende Bilanz und weiterführende Überlegungen zu veröffentlichen, um aktuelle Einblicke in die „Werkstatt“ der Schöpfungsforschung1 zu geben. Die Ausführungen beschränken sich auf den naturkundlichen Sektor der Auseinandersetzung um „Bibel und Wissenschaft“ sowie auf biblische Aspekte.
Dabei bleiben die biblischen Grundlagen der Schöpfungslehre selbstverständlich unangetastet. Es geht allein um die Frage, inwieweit die Überlieferung der biblischen Urgeschichte mit den derzeit bekannten Daten aus den Naturwissenschaften in Einklang gebracht werden kann.
Verdienste der Schöpfungsforschung
Es ist vergleichsweise leicht, viele Beispiele zusammenzutragen, die verdeutlichen, daß die Welt erschaffen wurde. Das im Alten wie im Neuen Testament immer wieder hervorgehobene Schöpfungszeugnis spiegelt sich in der Natur (bzw. der Schöpfung) klar wider – ganz im Sinne von Röm 1,19f., wo gesagt wird, daß Gottes Macht und Größe an seinen Werken deutlich erkannt werden kann. In Teilgebieten ist fundierte Evolutionskritik möglich. Die 40 Jahre währenden intensiven Bemühungen, Leben aus Nichtleben zu erklären (Ursuppen-Modelle) sind vollständig fehlgeschlagen. Urknalltheorien können effektiv kritisiert werden; ein in sich stimmiges Urknall-Szenario liegt nicht vor. In der Paläontologie (Lehre von den Lebewesen früherer Zeiten) zeigt sich ein systematisches Fehlen von Zwischenformen, was im Rahmen des Schöpfungsmodells auch nicht anders zu erwarten ist. Ein Mechanismus, durch den Lebewesen in anders konstruierte Grundtypen umgewandelt werden können (Makroevolution), ist nicht bekannt; nachgewiesene Veränderungen bewegen sich nur im Bereich der Mikroevolution (was nichts mit „Höherentwicklung“ zu tun hat). Auch konnten Ansätze zu Alternativmodellen erarbeitet werden, die von Schöpfung ausgehen; so z. B. in der Grundtypenbiologie: Es ist in der Biologie möglich, Grundtypgrenzen nachzuweisen und „Grundtypen“ (versuchsweise) mit den „geschaffenen Arten“ gleichzusetzten; bisher gelingt das widerspruchsfrei. Durch informationstheoretische Modelle kann plausibel gemacht werden, daß Information nicht von Materie und Energie abgeleitet werden kann, sondern auf einen Informationsgeber zurückgeführt werden muß. In Teilgebieten der Geowissenschaften können rasche katastrophische, kurzzeitige Prozesse nachgewiesen werden, z. B. in der Deutung der mitteleuropäischen Karbonkohle als Schwimmwälder.
An dieser Stelle muß als Stärke der Schöpfungslehre auch hervorgehoben werden, daß gegen unterschiedliche Konzepte einer „theistischen“ Evolution biblisch überzeugend argumentiert werden kann. Vorstellungen von einer Schöpfung durch Evolution können unter Berufung auf biblische Zusammenhänge nicht begründet werden, sondern laufen vielmehr darauf hinaus, biblische Inhalte durch eine „evolutionstheoretische Brille“ zu filtern oder umzudeuten. Als Wissenschaftler, die der biblischen Offenbarung verpflichtet sind, wollen wir den Weg einer theistischevolutionären Erklärung der Welt nicht gehen.
Ein Verdienst der Schöpfungslehre ist schließlich auch, daß die weltanschauliche Verflochtenheit von Herkunftsvorstellungen dokumentiert und hervorgehoben wurde. Nicht nur mit fachwissenschaftlichen, sondern auch mit wissenschaftstheoretischen Argumenten wurde gezeigt, daß keine Zwänge zu einem evolutionären Denken bestehen, sondern Offenheit zu unterschiedlichen Deutungen der naturwissenschaftlichen Daten gegeben ist.
Offene Fragen in der Schöpfungslehre
Den Pluspunkten der Schöpfungslehre stehen aber auch ungelöste Fragen gegenüber. Nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens in den naturwissenschaftlichen Fachgebieten gelingt in der Schöpfungslehre die Einpassung naturkundlicher Daten in schlüssige Modelle derzeit bei weitem nicht so gut wie früher angenommen wurde. Um einige Beispiele zu nennen: Wir können nicht schlüssig aufweisen, wo Beginn und Ende der Sintflut in der geologischen Überlieferung liegen. Es ist unklar, wie die gewaltigen geologischen Prozesse wie etwa die Plattentektonik (Kontinentaldrift) oder die Abkühlung riesiger Magmamassen im biblischen Kurzzeitrahmen erklärt werden sollen. Viele Fragen sind auch offen, wenn es um die Bildung der Menschenrassen, die nachsintflutliche kulturelle Entfaltung der Menschheit und ihre Ausbreitung und um die Deutung vieler archäologischer Befunde im biblisch überlieferten Rahmen geht (auch wenn hier interessante Ansätze vorliegen, stehen wir doch erst am Anfang). Wir müssen passen, wenn wir erklären sollen, wie die radiometrischen Daten alternativ in einem sehr engen Kurzzeitrahmen gedeutet werden sollen (die Langzeitdeutungen sind zwar kritisierbar, aber damit haben wir nicht automatisch Argumente für den biblisch begründeten Kurzzeitrahmen). Ebenso ist eine ausgearbeitete Kurzzeitkosmologie nicht in Sicht, wenn auch das gängige Urknallmodell effektiv kritisiert werden kann. Dazu kommt noch, daß eine Reihe gegen die Evolutionslehre vorgebrachte Argumente sich bei gründlicherer Untersuchung als nicht tragfähig erwiesen haben (z. B. die oft zitierten „menschlichen“ Fußspuren in Dinosaurier-Schichten, der 2. Hauptsatz der Thermodynamik oder Argumente zur Altersbestimmmung). Wir können zwar zurecht einen Alleinerklärungsanspruch der Evolutionslehre zurückweisen und daran erinnern, daß Theorien nie Tatsachen sind und revidierbar bleiben müssen – dafür gibt es genügend Beispiele. Insgesamt scheint es aber doch so, daß die Evolutionstheoretiker in vielen Bereichen Theorien oder Modelle vorweisen können, die nicht selten plausibler erscheinen als unsere eigenen Überlegungen. Dagegen fehlen der Schöpfungslehre besonders im Bereich der Kosmologie, Geowissenschaften und Paläontologie in sich stimmige Gesamt-Szenarien. Wenn es darum geht, die gesamte in 1 Mose 1 – 11 geschilderte biblische Urgeschichte vom Sündenfall, der Sintflut und der Völkerzerstreuung nach dem Versuch des Turmbaus zu Babel mit den Daten der Naturwissenschaften zusammenzubringen, treten große Schwierigkeiten auf. Es scheint so, als ob wir uns daher im Augenblick damit begnügen müssen, aufgrund fachlicher und wissenschaftstheoretischer Kritik den Monopolanspruch und den Denkzwang der Evolutionslehre zurückzuweisen; nur partiell können wir Alternativen aufbieten.
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir öfter unser Nichtwissen einräumen, als uns lieb ist. Das erleben einige von uns oft schmerzlich bei Vorträgen und in Diskussionen mit Fachleuten, und zwar nicht bei Randfragen, sondern oft bei Zusammenhängen wie den oben genannten, für die wir uns als Christen besonders interessieren. Der Satz „Alles, was gegen Evolution spricht, spricht für Schöpfung“ erweist sich als unhaltbar, wenn mit „Schöpfung“ eine umfassende Zusammenschau der biblischen Überlieferung, naturkundlicher Daten und historischer Dokumente gemeint ist.
Mögliche Mißverständnisse und notwendige Klarstellungen
Die soeben durchgeführte offene Kritik an eigenen Modellvorstellungen darf nicht mißverstanden werden. Damit wird nicht die Heilige Schrift kritisiert oder in Frage gestellt. Es ist – unabhängig von der Plausibilität schöpfungstheoretischer Vorstellungen – unbedingt zwischen der biblischen Überlieferung als solcher und darauf aufgebauten wissenschaftlichen Theorien oder historischen Rekonstruktionen zu unterscheiden. Wenn also auf einigen naturwissenschaftlichen Gebieten nicht die Schöpfungslehre, sondern die Evolutionslehre die Daten und Argumente scheinbar auf ihrer Seite hat, zeigt dies eine Schwierigkeit im Zusammenführen von biblischen Aussagen zur Schöpfung und Daten der Erfahrungswissenschaften an. Davon unberührt bleibt die Tatsache, daß die Evolutionslehre aus biblischer Sicht abzulehnen ist und letztlich auf naturalistischen Glaubenssätzen basiert. Die Motivation, von der Bibel her zu denken und zu forschen, bleibt durch die genannten Schwierigkeiten unberührt, und theistische Evolutionsvorstellungen stellen keine biblisch vertretbaren Lösungen dar. Die Reihenfolge „Wort und Wissen“ darf durch solche Spannungen nicht aufgehoben werden; die in der Heiligen Schrift geoffenbarte Heilsgeschichte Gottes mit der Menschheit darf nicht wechselnden wissenschaftlichen Theorien untergeordnet oder angepaßt werden.
Ein wesentlicher Punkt dieser Bestandsaufnahme muß noch genannt werden: Die empirische und denkerische Arbeit, die in die Schöpfungsforschung investiert wurde, ist gegenüber den Bemühungen evolutionstheoretisch orientierter Wissenschaftler unerträglich klein. Daher ist gar nicht zu erwarten, daß innerhalb weniger Jahre mit einer Handvoll meist ehrenamtlicher Mitarbeiter den seit über 100 Jahren weltweit, staatlich geförderten und von tausenden Wissenschaftlern vorangetriebenen Evolutionstheorien eine dem Umfang nach ebenbürtige Modellkonzeption entgegengesetzt werden kann.
Aus biblischer Diagnose wissen wir auch, daß wissenschaftliches Arbeiten Stückwerk bleiben wird (vgl. z. B. Pred 8,16-17; Pred 11,5; Jes 55,8-9; Jer 31,37; 1 Kor 13,10). Alle unsere wissenschaftliche Arbeit im Rahmen von „Wort und Wissen“ wird oft nur Detailwissen bringen. Gott läßt nicht zu, daß Glaube durch Wissen ersetzt wird. Auf der anderen Seite haben wir den Forschungsauftrag („Machet euch die Erde untertan“ – 1 Mose 1,28; „Groß sind die Werke des Herrn, erforschenswert für alle, die Gefallen an ihnen haben.“ – Ps 111,2) und es bleibt die Aufgabe, die naturwissenschaftlichen Theorien zu hinterfragen, wo sich ein Dissens zur Bibel ergibt, insbesondere zum Zeugnis vor der Welt (vgl. 1 Petr 3,15).
Konsequenzen und Ausblick
Was folgt aus dieser Bestandsaufnahme für die Studiengemeinschaft Wort und Wissen? Auftrag und Ziel können sich dadurch nicht ändern. Der sich an Paulus Einstellung (1 Kor 9,19ff.) orientierende Auftrag bleibt, im Bereich des Denkens das Evangelium zur Sprache zu bringen. Hierin wollen wir mit den uns anvertrauten Gaben dienen, und für einige ist diese Gabe die wissenschaftliche Arbeit. Wenn wir uns mit unserem bescheidenen wissenschaftlichen Potential nicht den Herausforderungen stellen, werden andere ihre Lösungen unkritisiert anbieten: atheistische, theistische oder pantheistische Evolution einerseits oder auch gut gemeinte, aber fachlich inkompetente Antworten von bibeltreuen Christen andererseits.
Schöpfungsforschung verfolgt nicht die Aufgabe, Glauben zu begründen (dafür ist Wissenschaft nicht das geeignete Mittel), sondern soll Dienerin sein, um die biblisch vorgegebene Einheit von Glauben und Denken zu bezeugen und Hindernisse auf dem Weg in die Nachfolge Jesu Christi auszuräumen. Daß die Evolutionslehre ein solches Hindernis ist, hören wir immer wieder! Schöpfungsforschung ist kein Selbstzweck, bei dem es darauf ankommt möglichst gut „abzuschneiden“, ihre Qualität soll vielmehr einem wichtigeren Zweck dienen: beizutragen, daß der biblischen Botschaft Gehör verschafft wird. Dazu braucht es mehr denn je qualifizierte wissenschaftliche Arbeit, qualifizierte didaktische Umsetzung und Präsentation sowie Sachlichkeit und unbedingte Ehrlichkeit. Wir benötigen in der Bildung Alternativen zu den eingefahrenen unbiblischen und antibiblischen Lehren. Dabei werden in den Versuchen einer Zusammenschau von biblischer Lehre und dem vorläufigen, durch Erfahrung gewonnenen Wissen des Menschen („Wissenschaft“) – das meint ja „Wort und Wissen“ – aller Voraussicht nach viele Fragen offen bleiben. In der weiteren Arbeit wollen wir darauf achten, keine höheren Erwartungen zu wecken, als sie das Wort Gottes verheißt.
Schöpfungslehre und -forschung kann auf Dauer nicht ohne zähe Forschungsarbeit bestehen, wenn sie nicht einen großen Bogen um die wissenschaftliche Diskussion machen will. Bislang haben wir viel von kritischen Evolutionstheoretikern profitiert. Das gilt beispielsweise für das von einigen von uns verantwortete Lehrbuch „Entstehung und Geschichte der Lebewesen“. Doch hier scheint das Feld weitgehend abgeräumt zu sein. Es geht nur noch mit kleineren Schritten weiter. In der Forschung genügen uns nicht einige wenige gutwillige Freizeitarbeiter – so vieles dadurch auch bereits geleistet wurde. Da Forschung aufwendig ist und viel Zeit und Geduld erfordert, brauchen wir auch hauptamtliche Wissenschaftler. Einige aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und Daten reichen nicht aus, um wissenschaftliche Fragen angemessen zu behandeln. Wir würden mit Recht als Ignoranten übergangen werden. (Daß auch qualifizierte Arbeit unbeachtet bleibt, steht auf einem anderen Blatt, doch ist das dann nicht unsere Schuld; es geht hier um unsere Glaubwürdigkeit.) Es wird in der Regel nicht möglich sein, im Eiltempo die großen Durchbrüche zu erzielen. Seien Sie mit uns dankbar über kleine Schritte. Um aktuelle Beispiele zu nennen: Wir dürfen uns darüber freuen, daß mit Studium Integrale Journal ein wichtiges Instrument ins Leben gerufen werden konnte und daß gute Aussicht besteht, daß er am Leben erhalten werden kann. Einige weitere Fachberichte (Monographien) sind in Arbeit oder stehen kurz vor dem Abschluß. Wir dürfen uns über die Fachtagungsarbeit freuen, die an Qualität zugenommen hat und zu der weitere Disziplinen (Archäologie, Wissenschaftstheorie) hinzugekommen sind. Das sind einige kleine Bausteine, die Mut machen.
Es ist unser Anliegen, daß Sie – auch als wissenschaftlich Interessierte – in die aktuelle Diskussion, unser Ringen und unser Beten im Spannungsfeld von biblischem Glauben und den Erkenntnissen der Wissenschaft mit einbezogen werden. Es wäre schön, wenn viele Leser eigene Erfahrungen und Überlegungen zur Thematik dieses Beitrags mitteilen würden undso ein Gedankenaustausch möglich wäre.
Der Leitungskreis sowie einige
wissenschaftlich arbeitende Mitglieder der Studiengemeinschaft
Wort und Wissen.
Anmerkungen
- Mit „Schöpfungsforschung“ ist die Anwendung der biblischen Schöpfungslehre auf den Bereich der empirischen Daten und der historischen Zeugnisse gemeint.