„Wer erschuf Darwin?“ – Neue „schlagende Beweise“ für Evolution?
Am 14. November 2010 strahlte das Bayerische Fernsehen in seiner Reihe „Faszination Wissen“ einen halbstündigen Beitrag zum Thema „Wer erschuf Darwin? Evolution oder Kreation“ aus. Ich war auch gebeten worden, bei diesem Film mitzuwirken, hatte zugesagt und mich im November 2009 dem Filmproduzenten einen knappen Tag lang in der Stuttgarter Wilhelma zur Verfügung gestellt. Der Produzent hatte ziemlich genaue Vorstellungen darüber, was er von mir hören wollte und kannte die Kritikpunkte, die wir von Wort und Wissen an den Evolutionstheorien haben, recht gut. Es wurden 6 Statements von mir aufgenommen, die jeweils nicht länger als 30-35 Sekunden dauern durften. Ich vermutete damals schon, dass diese Statements dazu dienen sollten, von anderen widerlegt zu werden.
In der Tat war die Sendung in weiten Teilen entsprechend aufgebaut: Nach einer Anmoderation der einzelnen Abschnitte kam jeweils ein Statement von mir. Der Kürze wegen konnte ich dabei nur sehr allgemein argumentieren. Meine Aussagen dienten dann als Vorlage für gezielte Widerlegungen. Das Ganze gipfelte gegen Ende in dem Vorwurf an Kritiker wie mir und meinen Mitarbeitern von Wort und Wissen, wir würden „Wissen verschleiern“, weil wir Behauptungen aufrechterhielten, die widerlegt worden seien. Tatsächlich ist es aber so, dass es von uns auf viele „Widerlegungen“ bereits Antworten gibt, diese aber nicht zur Sprache kamen. Außerdem wurde die von uns geäußerte Kritik häufig nur sehr rudimentär zur Kenntnis genommen; das hatte zur Folge, dass die „Widerlegungen“ an der Sache vorbei gingen. – Zu den Punkten im Einzelnen:
1. Nach allgemein gehaltenen einleitenden Sequenzen ging es zunächst um die Endosymbiontentheorie. Sie besagt, dass die Zellen der vielzelligen Tiere und Pflanzen (unter anderem) dadurch entstanden sind, dass in einer frühen Phase der Einzellerevolution bestimmte Zellen andere einverleibt haben. Dadurch sollen die Mitochondrien und Plastiden als Zellorganellen der sogenannten Eukaryoten entstanden sein. Ich wies darauf hin, dass ein solcher Prozess der Einverleibung vielfache Abstimmungen zwischen Wirtszelle und einverleibter Zelle erfordert, was ein natürlicher Prozess nach bisherigem Wissen nicht leisten kann.
Dem wurde entgegnet, dass Gen-Transfer vom Plastiden-Genom (Erbgut) ins Kern-Genom nachgewiesen wurde, was als ein „schlagender Beweis“ für die Endosymbiontentheorie gewertet wurde. Dabei wurde aber Entscheidendes nicht gesagt: Ein solcher Transfer setzt eine „Transfermaschinerie“ voraus, sonst könnte ein solcher Vorgang im Labor gar nicht nachgewiesen werden. Dies lässt sich am besten so interpretieren, dass es zu den Einrichtungen und Fähigkeiten der eukaryotischen Zellen gehört, Erbgut zwischen Zellkern und Organellen zu transferieren. Woher aber kommt diese Maschinerie? Und weshalb ist diese Fähigkeit des Transfers von Genen überhaupt ein Beleg für eine vergangene Endosymbiose, bei der eine ganze Zelle in eine andere integriert wurde? Die Tatsache, dass ein Teilaspekt – der Transfer von Genmaterial in den Zellkern –, welcher der Endosymbiose gefolgt sein soll, nachgewiesen wurde, liefert überhaupt keinen Beweis für die ursprüngliche Endosymbiose.
Zu diesem Thema gibt es von unserer Seite auf „Genesisnet“ eine ausführliche Abhandlung: www.genesisnet.info/…/e41308.php; in Kurzform in „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“. Die o. g. Problematik der Transfermaschinerie wird in diesem Artikel im Abschnitt „Sortierung und Import von Proteinen“ angesprochen; es wird deutlich, dass dafür vielfältige abgestimmte Prozesse nötig sind, die zur Zeit der erstmaligen Entstehung der Eukaryoten nicht vorausgesetzt werden können.
2. Das nächste Thema waren Mutationen und Entstehung neuer Baupläne. In meinem Statement hob ich darauf ab, dass zur Entstehung neuer funktionstüchtiger Bauelemente viele aufeinander abgestimmte Änderungen notwendig sind, was eine Zielorientierung erfordert, die es in einem natürlichen Evolutionsprozess nicht gibt. Dies wurde bestritten mit Experimenten an der Süßwasserschnecke Marisa. Bei dieser Schnecke wurde eine drastische Änderung des Schalenwachstums nach Zugabe einer giftigen Lösung zu den Eiern beobachtet. Dabei entstand statt des Schneckenhauses ein Kalkschild im Inneren der Schnecke, der gewisse Ähnlichkeiten mit einer Schalenstruktur bei Tintenfischen aufweist. Umweltbedingungen können also die ontogenetische Entwicklung drastisch abwandeln. Doch erfordert dies eine entsprechende plastische Vorprogrammierung, die bei der erstmaligen Entstehung wiederum nicht vorausgesetzt werden kann. Das Erbgut von Marisa enthält beide Informationen – für innere und äußere Schalen. Die im Film gezeigten Versuche erklären über deren Herkunft nichts. Von einem „völlig neuen Bauplan“ wie im Film behauptet kann nicht die Rede sein. Der Zuschauer erfuhr zudem nicht, ob die abgewandelte Schnecke in der Lage war, noch Nachkommen zu erzeugen, die auch ohne die drastisch veränderten Umweltbedingungen gleiche Körpermerkmale zu zeigen wie die Elterngeneration.
Das Beispiel ist aus einem weiteren Grund ungeeignet, das von mir erläuterte Problem vieler zusammenpassender gleichzeitig erforderlicher Veränderungen (Mutationen) als Voraussetzung für Neuentwicklung zu lösen. Es wurde im Film betont, dass das Erbgut nicht geändert wurde, sondern die Regulation von Genen. Damit ist klar, dass dieses Beispiel als generelle Erklärung für die Entstehung von Neuem in der Evolution nicht geeignet ist. Die verschiedenen Arten der Lebewesen haben in der Regel ca. 20.000 – 30.000 Gene, die in einem komplizierten Netzwerk miteinander verbunden sind und – wie man heute weiß – meist mehrfach für verschiedene Zwecke eingesetzt werden. Ein Versuch, bei dem nicht einmal ein einziges vorhandenes Gen geändert wird, erklärt offensichtlich die Herkunft dieses Gen-Netzwerkes in keiner Weise. Alle Lebewesen sind plastisch und durch Umwelteinflüsse formbar, manchmal auch sprunghaft, aber nur, falls entsprechende Anlagen da sind. Die Plastizität an sich bietet keine Erklärung für Evolution; vielmehr stellt sich die Frage, wie Plastizität überhaupt evolutionär entstehen könnte, denn es handelt sich um eine zukunftsorientierte Fähigkeit: Die Lebewesen sind mit Fähigkeiten ausgestattet, die sie bei eventuellem (u. U. seltenem!) Bedarf gebrauchen können, meistens aber nicht benötigen. Zukunftsorientierung gibt es in der Evolution aber nicht.
Übrigens wimmelte dieser Teil des Filmes von Personifizierungen und einem quasireligiösen Umgang mit dem Begriff Evolution: Die Evolution „spielt“, „probiert aus“, die Umweltbedingungen können „umprogrammieren, es ist von „Strategie“ der Natur die Rede, die Evolution kann „eingreifen“. Die Moderatorin schloss diesen Abschnitt mit dem Satz: „Offenbar ist es für die Natur ein Kinderspiel, die Baupläne des Lebens ganz schnell und sehr flexibel einfach umzustricken.“1
3. Das dritte Thema war die Grundtypenbiologie. Diese wurde im Film in unsachgemäßer Weise mit der Problematik der Übergangsformen verquickt. Ich hatte zunächst erläutert, dass nach den Vorstellungen der Schöpfungslehre anpassungsfähige Grundtypen erschaffen wurden, die ein gewisses Änderungspotential besitzen. Anschließend wurde ein weiteres Statement über die Fossilüberlieferung von mir eingespielt, wonach Gruppen von Lebewesen relativ plötzlich, vielseitig und vielgestaltig im Fossilbericht erscheinen und dass kaum Übergangsformen zwischen den Bauplänen zu finden sind (was übrigens in vielen paläontologischen Publikationen auch so gesagt wird).
Im weiteren Verlauf des Filmes wurde dann auf die Existenz von Mischformen hingewiesen. Es widerspricht aber der Grundtypenbiologie nicht, dass es Mischformen auf höherem taxonomischem Niveau gibt; und das wird in unseren Publikationen auch vielfach thematisiert. Wir bestreiten auch nicht, dass man manche Formen als Übergangsformen interpretieren kann, aber es handelt sich nicht um zwingende, einzig durch Evolution zu verstehende Interpretationen. Seit der 4. Auflage von „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ aus dem Jahr 1998 wurde dies ausdrücklich thematisiert. Im Film wurden also zwei verschiedene Fragestellungen (Übergangsformen und Grundtypenbiologie) unsachgemäß miteinander vermischt, vermutlich aus Mangel an Kenntnissen über den Grundtypenansatz. Es ist also ein Strohmann, wie im Film behauptet, es dürfte Merkmalskombinationen, wie sie beim sogenannten „Urvogel“ Archaeopteryx ausgebildet sind, nach dem Grundtypenmodell gar nicht geben.
Mit solchen falschen Vorstellungen das Grundtypemodell als „leere Rhetorik“ zu bezeichnen, ist beim uninformierten Publikum sicher wirkungsvoll, in Wirklichkeit aber nur gehaltlose Polemik. Die Behauptung von Dr. Martina Kölbl-Ebert, der Leiterin des Jura-Museums Eichstätt, das Grundtypmodell „leugne sämtliche Übergangsformen“ ist nur durch eine große Unkenntnis der Literatur von Wort und Wissen zu erklären. Eine bessere Kenntnis unserer Arbeit und ein Austausch darüber hätte diese unerfreulichen Missgriffe verhindern können.
4. Entstehung des Vogelflugs. In diesem Zusammenhang wurde auch das Fossil Juravenator erwähnt, dessen borstige Haare als Feder-Vorstufen gedeutet wurden. Borstige Haare gibt es aber bei vielen Gruppen außerhalb der Säugetiere, das ist nicht sehr beweiskräftig in Bezug auf die Entstehung von Federn. Die Befundlage und die Diskussionen zu dieser Frage sind sehr komplex und nicht in wenigen Sätzen abzuhandeln.2 Der Besitz von Borstenhaaren ist zudem noch weniger als das, was ich in einem weiteren Statement als Ausgangssituation für die Entstehung des Vogelflugs genannt hatte: Ein Federkleid, das zuerst als Wärmeschutz entstanden sein mag, bevor daraus ein flugtaugliches Federkleid wurde. Meine Frage war dabei die: Wie gelangt man von der Wärmeregulation zum Flug? Ich habe ein paar Punkte genannt, die man dabei bedenken muss. Auf diese gab es keine Antwort, es wurde nur eine Antwort suggeriert. Dazu wurde auf einen Raubsaurier verwiesen, der Stummelflügel besaß (sein Artname wurde leider nicht genannt). Hier muss man zunächst bedenken, dass es in solchen Fällen schwierig sein dürfte, die Funktion zu ermitteln. Es wird von den Forschern auch angenommen, dass es vielfach zu Rückbildungen von Flügeln gekommen ist; das könnte hier auch der Fall sein. Aber gesetzt den Fall es stimmt, dass die Stummelflügel zur Verbesserung der Bodenhaftung beitrugen wie gemutmaßt wird. Dann stellt sich – genauso wie wenn man on der Wärmeregulationsfunktion als Vorstufe zum Fliegen ausgeht – die Frage, wie der Übergang zur Flugfähigkeit erfolgte. Was ich dazu gesagt habe, ist durch das Beispiel des stummelflügeligen Raubsauriers nicht widerlegt und die aufgeworfene Frage erst recht nicht befriedigend beantwortet worden.
Aus alledem resultiert die Schlussfolgerung: Hätten ich oder andere Mitarbeiter von Wort und Wissen die Gelegenheit zur Entgegnung gehabt und wären diese auch in den Film eingeflossen, wäre das Fazit der Sendung sehr viel anders ausgefallen. Meine Statements waren nicht dafür gedacht, ein Für und Wider zu dokumentieren, sondern dienten wieder einmal nur als „Kanonenfutter“.
Theologische Aspekte
Der Film war mit diesen naturwissenschaftlichen Aspekten aber noch nicht beendet. Es kam zum Schluss noch eine Beruhigung für alle Gottgläubigen: Evolution widerspricht dem Gottesglauben nicht. Das Gottesbild moderner theologischer Forschung sei nicht das von Kreationisten und anderen Evolutionskritikern. Wie sieht dieses Gottesbild aus? Dazu äußerte sich im Film der Fundamentaltheologe und Philosoph Prof. Ulrich Willers von der Katholischen Universität Eichstätt wie folgt: „Aus Sicht der modernen Theologie ist dieses Bild [der Kreationisten] zu klein von Gott. Und von Gott kann man nicht groß genug denken. Und wenn man ihn als Handwerker sich vorstellt, der irgendetwas bastelt und Stück für Stück bastelt und dann sagt: das hab ich prima hingekriegt und jetzt kommt das nächste dran, dann stellt man sich Gott einfach fast wie einen Menschen vor. Das ist zu klein gedacht. Man kann aber wohl sagen: Gott als das abgründige Geheimnis unserer Wirklichkeit hat Strukturen geschaffen, in denen sich etwas ereignet was faszinierend ist, was toll ist, aber diese Strukturen bringen sich selbst immer neu hervor.“ Es wird weiter kommentiert, dass Gott selber also keine neuen Strukturen schaffe, sondern „er schafft Kreativität“. „Er macht, dass sich die Dinge selbst machen.“
Der Bastler-Gott ist eine Unterstellung, ein solches Gottesbild vertreten weder Mitarbeiter von Wort und Wissen noch andere Anhänger der biblischen Schöpfungslehre oder von „Intelligent Design“. Willers’ Kritik trifft einen Strohmann. Andererseits stellt sich die Frage, ob die Vorstellung eines so stark zurückgezogenen Gottes – der in der Sprache Willers ein „Geheimnis“, keine Person darstellt – von den schöpfungsbezogenen Bibeltexten und von der Tatsache der konkreten Menschwerdung des Schöpfers her dem Gottesbild der Heiligen Schrift entspricht. Welchen Inhalt hat überhaupt die Gottesvorstellung, wenn gesagt wird, er erschaffe Kreativität? Hat Gott die Evolution vorprogrammiert? Das wäre eine Spielart von „Intelligent Design“, die aber wiederum ausdrücklich abgelehnt wird. Wie handelt „das abgründige Geheimnis der Wirklichkeit“? Welche konkrete Bedeutung hat es im Lauf der Evolution? Und wie äußert sich die beschworene Größe Gottes als Schöpfer, die man sich ja „nicht groß genug denken“ kann? Nicht alles was „modern“ ist, hat auch Gehalt.3
Positiv vermerkt werden kann, dass in den Zwischenmoderationen der Moderatorin relativ deutlich eingeräumt wurde, dass es inhaltlich und methodisch mit der Evolution immer noch grundsätzliche Probleme gibt. Dem Filmproduzenten möchte ich auch für seine Unterstützung bei der Formulierung meiner Statements danken, auch wenn sie die beschriebene negative Funktion hatten.
Anmerkung: Der Korrektheit halber müssen noch zwei Details angemerkt werden. Im Film wurde behauptet, ich würde die geologischen Zeiträume einer 3,5 Milliarden Jahre währenden Evolution akzeptieren. In diesem Zusammenhang wurde im Film der Eindruck erweckt, ich würde eine in Stufen verlaufende Schöpfung vertreten, die an den Epochen der Erdzeitalter angepasst verlaufen sei. Das ist nicht der Fall. Und es wurde mir unterstellt, ich sähe „Lücken als Beweis“ dafür an, „dass Gott seine Hand immer noch im Spiel haben muss.“ In Wirklichkeit halte ich Gottesbeweise auf dem Wege der Naturwissenschaft (die Lücken feststellen kann) für unmöglich, und im darauffolgenden Statement sagte ich, dass ich davon ausgehe, dass Grundtypen „ursprünglich geschaffen worden sind“. (Das schließt Gottes weiteres Wirken in der Schöpfung nicht aus, aber das ist ein anderes Thema.)
Anmerkungen
1 Zu dieser Tendenz des kritiklosen und missbräuchlichen Umgangs mit „Evolution“ siehe auch: Ullrich H (2010) Evolution und Evolutionstheorien. Irrtümliche Selbstverständnisse und Fehldarstellungen naturalistischer Ursprungsmodelle. Stud. Int. J. 17, 76-87.
2 Siehe z. B. www.si-journal.de/jg13/heft1/sij131-5.html und den Abschnitt über den Ursprung der Vögel in „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“
3 Vergleiche z. B. meine Buchbesprechung von H. Kessler, Evolution und Schöpfung in neuer Sicht; sowie Teile der Buchbesprechung von H. Hemminger, Und Gott schuf Darwins Welt (vor allem Abschnitt „Was tut Gott als Schöpfer?“)