Evolution: Schöpfungsmethode Gottes?
Weil die Evolutionslehre Gottes Existenz nicht notwendigerweise in Frage stellt, halten viele Christen die biblische Schöpfungslehre und Heilsgeschichte für vereinbar mit der Evolutionsanschauung. Anhand der biblischen Lehre von Sünde, Tod und Erlösung kann jedoch gezeigt werden, daß wesentliche biblische Inhalte bei konsequenter Akzeptanz der Evolutionslehre nicht aufrechterhalten werden können.
Inhalt
- Schöpfung gleich Evolution?
- Die „Schöpfungsmethode“ Gottes
- Die Bedeutung des Todes
- Heilsgeschichtliche Zusammenhänge
- Christen und die Evolutionslehre heute
Schöpfung gleich Evolution?
Der Sprachgebrauch „Schöpfung durch Evolution“ oder „Schöpfung gleich Evolution“ ist häufig irreführend, denn nahezu jede Zusammenschau von Schöpfung und Evolution läuft darauf hinaus, an einer universalen Evolution festzuhalten.
Nach manchen Vorstellungen der theistischen Evolutionslehre wird ein Wirken Gottes angenommen, um Erklärungslücken des Evolutionskonzepts auszufüllen. Gott soll eingegriffen haben, um die Entwicklung auf „gute Bahnen“ zu lenken, insbesondere bei der Menschwerdung. Das Evolutionsprinzip soll also nicht allein ausschlaggebend gewesen sein, um die Lebensvielfalt entstehen zu lassen. Dabei muß man sich fragen, ob Gott nicht zum bloßen Lückenbüßer wird. Andernfalls, d. h., wenn mit den Methoden der Wissenschaft Evolution vollständig erklärt werden könnte, wäre die Annahme eines Gottes, der die Evolution initiiert haben und lenken soll, unnötig. Von der Souveränität Gottes als dem Herrn der Geschichte könnte dann kaum mehr gesprochen werden.
Die „Schöpfungsmethode“ Gottes
Welcher Gott stünde hinter dem postulierten Evolutionsgeschehen? Wäre die stammesgeschichtliche Evolution die Schöpfungsmethode Gottes, hieße das beispielsweise, daß der Schöpfer auf der frühen Erde eine „Ursuppe“ Hunderte von Millionen Jahren existieren ließ, um ein erstes Bakterium zu erschaffen, oder daß er Mord und Kannibalismus benutzte, um affenähnliche Wesen in Menschen zu transformieren. Er hätte sich des Selektionsvorgangs (Auslese) bedient, um die Arten, auch den Menschen, zu erschaffen. Auch wenn die Selektionstheorie in der Biologie nicht unbedingt das „Recht des Stärkeren“ einschließt, so folgt aus ihr doch, daß nur auf Kosten des Todes ungezählter Individuen und Arten (Aussterben) eine allmähliche Höherentwicklung erfolgte. Ohne diesen zahlenmäßig weit überwiegenden „Ausschuß“ wäre eine Evolution höherorganisierter Organismen nicht abgelaufen. Auch der Mensch wäre dann nicht entstanden. Denn zum Selektionsprinzip gehört die Überproduktion von Nachkommen und eine Auslese der am besten Angepaßten auf Kosten der weniger gut Angepaßten.
Biblische Charakterisierungen des Schöpfungshandelns Gottes betonen dagegen Gottes Weisheit, Einsicht, Kraft und Größe in seinem schöpferischen Wirken (Spr 3,19; Jer 27,5; Röm 1,19f. u. a.). Das Selektionsprinzip – als Schöpfungsprinzip gedacht – könnte mit diesen Begriffen nicht umschrieben werden. Somit wird deutlich, daß das Selektionsprinzip im biblischen Sinne kein Schöpfungsprinzip sein kann.
Um einem Mißverständnis vorzubeugen: Es wird nicht bestritten, daß Selektionsprozesse existieren. In einer von der Sünde gezeichneten Welt ist Selektion jedoch nur ein regulierender, kein kreativer Faktor.
Das schaffende Handeln Gottes kann man sich nicht anschaulich vorstellen. An den Vollmachtstaten Jesu ist jedoch das Schöpfungshandeln Gottes durch das Wort beispielhaft erkennbar, etwa in der in Mk 1 berichteten Heilung des Aussätzigen. Die Wiederherstellung von Gliedern und die Neuschaffung einer gesunden Haut ist gleichermaßen ein Wunder wie die Erschaffung der Sterne. An diesem Handeln erkennt man, daß Schöpfung aus dem Wort keine evolutiven Zeitspannen erfordert und daß Gott in seinem Wirken nicht durch die biologischen, chemischen oder physikalischen Gesetzmäßigkeiten eingeschränkt ist (wenn er sich ihrer auch bedienen kann).
Die Schöpfungslehre versucht nicht, den Schöpfungsakt selbst zu erforschen (Gottes Handeln bleibt ein Geheimnis), sondern sie beschäftigt sich mit der Geschichte der Lebewesen nach ihrer Erschaffung, und versucht zu zeigen, daß die Schöpfung nicht durch „Selbstorganisation“ entstanden ist.
Die Bibel sagt, daß die Schöpfung vom Schöpfer selbst als sehr gut beurteilt wurde (Genesis 1,31). Eine sehr gute (perfekte) Schöpfung macht aber Evolution (im Sinne von Makroevolution = Höherentwicklung) sowohl unnötig als auch unmöglich, denn an welcher Stelle des Evolutions-Szenarios ließe sich sagen, die Schöpfung sei „sehr gut“? Dieses Urteil des Schöpfers könnte allenfalls als „zur Höherentwicklung fähig“ umgedeutet werden – was der Text aber sicher nicht nahelegt. Viele Evolutionsbiologen behaupten, Evolution führe teilweise zu gravierenden Mängeln der Lebewesen; der Wiener Zoologe Rupert Riedl spricht sogar von „katastrophaler Planung“, hätte jemand die Lebewesen geplant. Diese Einschätzung ist subjektiv; theistische Evolutionsanschauungen müssen sich aber besonders mit ihr auseinandersetzen.
Bei diesen Überlegungen spielt es keine Rolle, ob Gott ein Evolutionsgeschehen nur einmal angestoßen hat, etwa bei einem Urknall, oder ob er weitergehend in das Evolutionsgeschehen eingegriffen hat. Wenn die Evolutionslehre wahr wäre, hätte Gott z. B. Tausende von Parasiten von vornherein gewollt, ebenso die auf Fressen und Gefressenwerden angelegten ökologischen Zusammenhänge. Nach dem biblischen Zeugnis dagegen hat Gott dem Menschen und den Tieren zunächst ausdrücklich nur pflanzliche Nahrung zugewiesen (Genesis 1,29f.). Der heute zu beobachtende Daseinskampf zwischen den Organismen („Fressen und Gefressenwerden“) ist Kennzeichen einer von Gott abgefallenen Schöpfung. Im Schöpfungsmodell wird von einer ursprünglich anderen Ökologie ausgegangen (Genesis 1,29f.).
Die Bedeutung des Todes
Ohne den Tod wäre Evolution nicht möglich. Stellvertretend zitieren wir dazu den Biologen Hans Mohr:
„Gäbe es keinen Tod, so gäbe es kein Leben. Der Tod ist nicht ein Werk der Evolution. Der Tod des einzelnen ist vielmehr die Voraussetzung für die Entwicklung des Stammes . . . Wenn wir also die Evolution des Lebens als ein in der Bilanz positives Ereignis, als die ‚reale Schöpfung‘, ansehen, akzeptieren wir damit auch unseren Tod als einen positiven und kreativen Faktor“ (Leiden und Sterben als Faktum in der Evolution. Herrenalber Texte 44, 1983, S. 9 – 25).
Der Tod als notwendige Voraussetzung zum Hervorbringen des Lebens! Nichts könnte weiter von der biblischen Sicht des Todes entfernt sein (Röm 6,23; 1 Kor 15,26). Der Tod ist der Feind des Lebens, der von Jesus am Kreuz und durch seine Auferstehung besiegt wurde, und nicht ein lebensspendender Faktor. Hier liegt ein zentraler Grundwiderspruch zwischen theistisch-evolutionistischen Vorstellungen und Inhalten der Bibel. Nach biblischem Zeugnis sind der geistliche sowie der leibliche Tod eine Folge der Sünde (Röm 5,12ff.) und mitnichten ein Schöpfungsmittel. Daß die ganze Schöpfung vom Tod als Sündenfolge betroffen ist, macht besonders Röm 8,19ff. deutlich, wo bezeugt wird, daß die ganze Schöpfung der Vergänglichkeit unterworfen wurde (und zwar nicht freiwillig, das heißt nicht durch eigene Schuld, sondern aufgrund der Ungehorsamstat des ersten Menschenpaares). Sie seufzt darunter und wartet wie die Christen auf Erlösung. Auch die theistisch geprägte Evolutionsvorstellung vom Tod ist also das genaue Gegenteil zur biblischen Lehre.
Heilsgeschichtliche Zusammenhänge
Die Vorstellung, der Mensch habe sich langsam aus dem Tierreich emporentwickelt, ist mit dem Zeugnis des historischen Sündenfalls unvereinbar. Worin sollte der Sündenfall bestanden haben? Alles, was der Mensch und seine angenommenen Vorfahren getan haben, war gut und notwendig für die Höherentwicklung. Sünde und Schuld im biblischen Sinne kann es im Evolutionsdenken nicht geben. Damit könnte der Mensch aber auch nicht für seine Sünde zur Rechenschaft gezogen werden. Die Erlösung durch das Blut Jesu wird dadurch unnötig, ja geradezu sinnlos. Das zentrale Thema der Bibel, Gottes Heilsgeschichte mit den Menschen, ginge an der Wirklichkeit vorbei.
Paulus nennt den ersten Adam, durch den die Sünde in die Welt kam, in einem Atemzug mit dem zweiten Adam, Christus, der die Erlösung von der Sünde bewirkt hat (Röm 5). Wer war Adam im evolutionären Modell? Im Evolutionsmodell ist Adam als Person schwer vorstellbar. Durch ihn kann also die Sünde mit der Todesfolge nicht in die Welt gekommen sein. Wenn Paulus daher über Adam bildlich gesprochen hätte, warum sollte sich das in seinen Aussagen über Jesus Christus anders verhalten?
Petrus verweist auf einen Zusammenhang zwischen Sintflutgericht und Endgericht (2 Petr 3,3 – 10). Auch Jesus bestätigt die Historizität der Sintflut (Mt 24,37 – 39).
Jesus selbst beruft sich mehrmals auf die ersten Seiten der Bibel und geht mit ihnen wie mit einem Tatsachenbericht um. So betont er auch die Erschaffung des ersten Menschenpaares und die Ehe als ursprüngliche Schöpfungsordnung Gottes (Mt 19,4f.).
Schließlich: Ist in einer evolutiven Sicht die Erwartung der baldigen Wiederkunft Jesu noch möglich? Eine in Millionen Jahren gezählte Urgeschichte der Menschheit läßt diese Hoffnung leicht in der Ungewißheit ferner Jahrmillionen verblassen, wenn mit einem solchen Ereignis überhaupt noch ernsthaft gerechnet wird. Manche evolutionistische Zukunftsentwürfe deuten Jesu Wiederkunft völlig in ein Zum-Ziel-Kommen der Evolution um (Teilhard de Chardin), das mit dem biblischen Zeugnis vom göttlichen Gericht und der göttlichen Neuschöpfung von Himmel und Erde nichts mehr zu tun hat.
Diese Beispiele machen deutlich, daß die biblische Urgeschichte mit zentralen Heilsaussagen der gesamten Heiligen Schrift unauflösbar verwoben ist.
Christen und die Evolutionslehre heute
Wenn es keine Alternative zur Evolutionslehre gäbe, wäre es eher verständlich, daß Christen eine Synthese zwischen Evolution und Schöpfung suchen. Da aber auch heute viele Christen die inzwischen erarbeitete fachlich fundierte Evolutionskritik und alternative Ursprungsmodelle nicht oder nur als Zerrbilder kennen, verwundert es nicht, wenn sie der Schöpfungslehre skeptisch gegenüberstehen. Mit Schöpfungsvorstellungen, die „ohne Hand und Fuß“ sind oder zu sein scheinen, wollen Christen berechtigterweise nichts zu tun haben. Viele hegen ein tiefes Mißtrauen, daß die Schöpfungslehre ein Unternehmen sein könnte, das eine Vergewaltigung des gesunden Menschenverstandes bedeutet oder das „intellektuelle Gewissen“ über Gebühr belastet. Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen lädt daher dazu ein:
- Das weitverbreitete idealisierte Bild der Evolution, das die o. g. fundamentalen Probleme verschleiert, zu hinterfragen,
- die Konsequenzen, die die Evolutionslehre für die biblische Heilslehre beinhaltet, gründlich zu durchdenken,
- sich mit den sachlichen, wenn auch vorläufigen schöpfungsorientierten Modellvorstellungen als Alternative zur Evolutionslehre auseinanderzusetzen.
Literatur
- Werner Gitt (1994) Schuf Gott durch Evolution? Neuhausen: Hänssler.
- Ausführlich wird diese Thematik behandelt in: Reinhard Junker (1994) Leben durch Sterben? Schöpfung Heilsgeschichte und Evolution. Studium Integrale. Neuhausen: Hänssler.