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Leben auf dem Mars – Science oder Fiction?



Inhalt


Mit dieser Frage überschrieb die Weltwoche einen Beitrag des Geologen Beda A. Hofmann über den weltberühmten Meteoriten ALH84001, der aller Wahrscheinlichkeit nach vom Mars zur Erde gelangte und scheinbar Sensationelles enthüllte. Die ganze Welt – wie es schien – merkte auf, als die amerikanische Weltraumbehörde NASA am 7. August dieses Jahres verkündete, daß sehr wahrscheinlich Lebensspuren auf dem Mars nachgewiesen worden waren. Präsident Clinton reagierte geradezu enthusiastisch und mit ihm viele andere. Wir sind doch nicht alleine im All. Jeder glaubt jetzt zu wissen, daß es außer uns noch anderes Leben gibt. Schon am Abend des 7. August hatten mich zwei Anrufer auf diese Funde angesprochen. Es ist schon erstaunlich, was Strukturen von 0,0001 mm Größe auslösen können!

Schnell waren auch Stimmen zu hören, daß damit die biblische Schöpfungsgeschichte widerlegt sei; Gegenstimmen ließen dann aber auch nicht lange auf sich warten.1 Doch soll darauf an dieser Stelle nicht eingegangen werden; vielmehr sollen zum einen die Argumente von Beda A. Hofmann präsentiert werden, die zur Vorsicht bei der Interpretation der „Lebens“-Indizien auf dem Mars-Meteoriten mahnen. Zum anderen sollen einige Gedanken zum Umgang mit solchen Sensationsmeldungen weitergegeben werden.

Die Fakten des Marsmeteoriten

Bevor über mögliche und weitreichende Schlußfolgerungen nachgedacht wird, sollte man sich zuerst vergewissern, was eigentlich Sache ist. Nachfolgend beziehe ich mich hauptsächlich auf den o.g. Beitrag aus der Weltwoche Nr. 33 vom 15. 8. 1996 von Beda A. Hofmann; direkte Zitate sind gekennzeichnet.

Der Meteorit ALH8400 ist ein 1,9 kg schwerer Brocken eines aus flüssigem Magma kristallierten Gesteins. Erst zehn Jahre nach dem Fund (1984) wurde erkannt, daß er vom Mars stammt. Das stärkste (nicht einzige) Indiz ist die Übereinstimmung der in ihm eingeschlossenen Gase mit der von den Viking-Sonden gemessenen Zusammensetzung der Marsatmosphäre. „Es wird angenommen, daß diese Meteoriten bei Einschlägen von Asteroiden oder Kometen auf den Mars weggeschleudert wurden. Die meisten Marsmeteoriten zeigen entsprechende Anzeichen von Schock.“ Lebensformen können wegen der hohen Schmelztemperatur erst nach der Bildung hineingeraten sein. Die mutmaßlichen Mikroorganismen hätten demnach in feinen Spalten dieses Gesteins in unbekannter Tiefe unter der Meeresoberfläche gelebt. Die geringe Verwitterung im Vergleich zu den von den Viking-Sonden fotografierten Gesteinen an der Oberfläche spricht dafür, daß der Meteorit nicht direkt von der Oberfläche des roten Planeten stammt.

Die von MacKay, dem Leiter des Wissenschaftlerteams, und seinen Kollegen vorgelegten Hinweise für Lebensspuren sind jedoch durchweg indirekter Natur und können allesamt auch als Resultat nichtbiologischer Prozesse erklärt werden:

  1. Anwesenheit organischer Stoffe. Aufgrund der detaillierten Untersuchungen erscheint eine Herkunft durch Verschmutzung mit irdischen Stoffen unwahrscheinlich. Eine inorganische Entstehung auf dem Mars ist jedoch möglich.
  2. Feinste Kristalle von Eisenoxid und -sulfid in Karbonatknöllchen. Eine mikrobielle Entstehung derartiger feiner Mineralphasen ist auf der Erde zwar typisch, aber auch hier ist eine inorganische Entstehung nicht auszuschließen.
  3. Unter dem hochauflösenden Rasterelektronenmikroskop zeigen diese Mineralien z.T. Formen, welche den kleinsten Formen irdischer Mikroorganismen ähneln. Eindeutige morphologische Hinweise für eine biologische Entstehung fehlen jedoch. Die Größe dieser fraglichen Fossilien ist maximal 0,1 Tausendstelmillimeter – wesentlich kleiner als anerkannte irdische mikrobielle Fossilien. Jene irdische Strukturen, welche ähnlich sind ( Nanobakterien‘), sind ebenfalls umstritten . . .
  4. Verbreitetes Auftreten von Karbonatknöllchen in ALH84001, welche eine große Ähnlichkeit mit mikrobiell produzierten Karbonaten auf der Erde aufweisen.

MacKay und Kollegen räumen auch ein, daß keines dieser Argumente eindeutig eine biologische Entstehung beweist, daß jedoch das Zusammenpassen dieser Argumente ein starker Hinweis auf ehemaliges mikrobielles Leben in diesem Marsgestein ist.

Zurück auf die Erde. Mit dem Meteoriten ALH84001 vergleichbare Gesteine (Pyroxenite) oder magmatische Gesteine ganz allgemein sind auch von hier bekannt. Paläontologen (Fossilienkundler) machen jedoch aus gutem Grund einen großen Bogen darum, da sie als steril gelten. Irdische Gesteine dieser Art sind als Lebensraum für Mikroorganismen noch wenig anerkannt, obwohl auch dafür immer mehr Beispiele bekannt werden. Hier liegt wahrscheinlich das größte Problem bei der Beurteilung von ALH84001: Die Antwort auf die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Mikroorganismen in Gesteinen leben, ist selbst auf der Erde größtenteils unbekannt.

. . . Die vorliegenden Ergebnisse werden keinen kritischen Forscher von der Existenz von Leben auf dem Mars überzeugen.


Soweit das Zitat von Hofmann.

Der Meterorit soll unseren Nachbarplaneten übrigens vor 15 Millionen Jahren verlassen haben und vor 13.000 Jahren auf die Erde gefallen sein. Das Gestein selber wird auf 3-4 Milliarden Jahre datiert. Wenn es sich also tatsächlich um Lebensspuren handeln sollte, dann stammt es von „Leben“, das – nach gängigen Altersvorstellungen – vor langer Zeit existierte.

Sensationsmeldungen und Fakten

Die Berichterstattung über den Marsmeteoriten hat noch andere Seiten. Wir konnten eine typische Abfolge bei der Präsentation solcher Sensationsfunde oder -entdeckungen erleben: Zuerst kommt die medienwirksame publizistische Vermarktung, und dann – von der Öffentlichkeit nicht mehr beachtet – die seriöse wissenschaftliche Aufarbeitung – mit eventuell ernüchternden Ergebnissen, die kaum noch jemand wahrnimmt. Die Sensationsmeldungen bleiben dann hängen, die tatsächlichen Fakten nicht mehr, obwohl die ersten Aussagen meist revidiert oder mindestens relativiert werden. Andere aktuelle Beispiele dieser Art sind Funde von „Urmenschen“ (beispielsweise des Australopithecus ramidus vor gut einem Jahr, der inzwischen in Ardipithecus umbenannt wurde2). Schon oft wurde das vermeintliche Zwischenglied zwischen Affen und Menschen gefunden. Nach einigen Jahren genauer Auswertung und kontroverser Diskussion fiel ihm dann meist ein Seitenast des mutmaßlichen Stammbaumes zu oder blieb umstritten. Es bestand auch immer die Möglichkeit, die Funde im Rahmen der Schöpfungslehre zu interpretieren. Ein Beispiel dieser Art, das lange Zeit fälschlicherweise (wie man heute weiß) in den Schulbüchern überdauerte, ist Ramapithecus3. Auch hier „weiß“ man nachher nur noch, daß jetzt die Abstammung des Menschen von affenartigen Vorfahren bewiesen sei. Es kann hier auch an die ersten (ebenfalls „sensationellen“) Ergebnisse der Jupitersonde vor gut einem halben Jahr gedacht werden oder an die jetzt auflebende Mutmaßung, auf dem Jupitermond Europa (nicht auf Jupiter selber, wie manche schon mißverstanden haben!) könnten lebenstaugliche Bedingungen herrschen. 4

Gelassenheit und Zurückhaltung sind also angesagt, wenn Meldungen dieser Art durch die Presse gehen. Solange die wissenschaftliche Auswertung und kritische Diskussion der Fachleute nicht abgeschlossen ist (was mehrere Jahre dauern kann), gilt es abzuwarten. Verunsicherungen sind fehl am Platz. Oft ist übrigens mit Händen zu greifen, daß plakative Aussagen über neueste Forschungsergebnisse den Zweck haben sollen, daß Gelder für bestimmte Vorhaben bewilligt werden.

Und weshalb die ganze Aufregung?

„Ende 1996 kommen einem jene heißen Tage im Sommer wie ein Traum vor. Im August versetzten NASA-Wissenschaftler unter der Leitung von David McKay die Welt in Erstaunen mit der Präsentation von Hinweisen für vergangenes Leben auf dem Mars. Jetzt aber treiben neue Analysen den Nagel in den Sarg für diese Behauptung.“ So beginnt ein Artikel in der Zeitschrift New Sceintist vom 28. Dezember 1996 mit der Überschrift „Totenglocke für das Leben auf dem Mars?“ Inzwischen mehren sich nämlich die Hinweise, daß die vermeintlichen Lebensspuren auf dem Marsmeteoriten ALH84001 anorganischen Urprungs sind. So gibt es starke Hinweise dafür, daß es sich bei den im Meteoriten gefundenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) um Kontaminationen aus dem antarktischen Eis handelt. Außerdem zeigen die Magnetit-Teilchen, die im Meteoriten gefunden wurden und von Lebewesen produziert worden sein könnten, eine Struktur, die nach bisherigen Erkenntnissen anorganischen Ursprungs sein muß. Details hierzu finden sich in Studium Integrale Journal 1/97.

Im Gegensatz zu den Sensationsmeldungen über „Leben auf dem Mars“ im August tauchen diese neuen Erkenntnisse nicht mehr in den Schlagzeilen und auf den Titelseiten der Tagespresse auf. Was wird hängenbleiben? „Es gibt Leben nicht nur auf der Erde.“ Die Entkräftung dieser Aussage dagegen scheint bedeutend weniger Neuigkeitswert zu besitzen. Umso wichtiger ist Aufklärungsarbeit, die unsere Studiengemeinschaft zu leisten hat, zu der aber auch jeder einzelne hier und da beitragen kann, z. B. durch Leserbriefe.

Anmerkungen

  1. Z. B.: Heike Schmoll: Mars und Mittelalter. Warum der Schöpfungsglaube nicht ins Wanken gerät. FAZ 15. 8. 1996, Nr. 189, S. 9.
  2. Vgl. dazu: S. Hartwig-Scherer: Lucys Großeltern – die ersten Urmenschen? Studium Integrale Journal 2 (1995), S. 58-64.
  3. Detaillierte Dokumentation dazu in: S. Hartwig-Scherer: Ramapithecus – Vorfahr des Menschen? Berlin, 1989; einige Ausführungen zu diesem Fall finden sich – populär aufgearbeutet – auch in: R. Junker, Stammt der Mensch von Adam ab? Neuhausen, 4. Auflage 1996.
  4. Günter Paul: Nach Galileos Bild von Europa wieder Spekulationen über außerirdisches Leben. FAZ 15. 8. 1996, Nr. 189, S. 9.