Schöpfungsforschung am Ende?
Nachtrag zu diesem Diskussionsbeitrag (Nov. 2005)
Die Inhalte dieses Diskussionsbeitrag aus dem Jahr 1990 entsprechen nicht mehr in allen Punkten der heutigen Auffassung des Autors. Der Beitrag wird dennoch nach vorübergehender Entfernung von der Homepage aufgrund der aktuellen Diskussion erneut unverändert veröffentlicht, damit Leser, die an der Geschichte der SG Wort und Wissen interessiert sind, die Entwicklungen in der Arbeit der Studiengemenschaft verfolgen können.
Die engagierten Mitglieder und Freunde der Studiengemeinschaft WORT UND WISSEN wissen sich berufen, im Sinne der Schöpfungslehre1 im wissenschaftlichen Bereich oder auf dem Bildungssektor tätig zu sein. Dazu gehören gleichermaßen Lehre in Schule und Gemeinde oder Forschung als Wissenschaftler oder Student. Forschungsarbeit ist sehr zeitintensiv und kann nur unter Opfern nebenbei geleistet werden. Wer in seiner Freizeit auch nur ein kleines Projekt, wie etwa die Vorbereitung eines Referates für eine Fachtagung, in Angriff genommen hat, kann den Aufwand für Schöpfungsforschung nachvollziehen. Die oft erheblichen zeit-lichen, beruflichen und familiären Opfer sind jedoch unumgänglich. Die Gründe hierfür werden im folgenden kurz angesprochen.
Inhalt
- Erschaffung der Welt durch andere Götter?
- Jesus – Meister der Evolution?
- Schöpfungsforschung mit Fragen
- Schöpfungsforschung am Ende?
- Schöpfungsforschung: eine Jahrhundertaufgabe
- Anmerkung
Erschaffung der Welt durch andere Götter?
Die Schöpfungsforschung ist in den vergangenen Jahren in manchen Bereichen vorangekommen. Insbesondere gilt dies für den Bereich der Evolutionskritik, sowohl was die Entstehung des Lebens in „Ursuppen“ als auch die Entwicklung des Lebens durch Zufallsmechanismen anbelangt. Obwohl auch hier noch un-übersehbare Detailarbeit zu leisten ist, wird doch zunehmend klar, daß biologische Information durch den „Darwin-Mechanismus“ mit großer Wahrscheinlichkeit nicht entstanden ist. Argumente kommen aus Chemie, Biologie und Informationstheorie2.
Zur Zeit vollzieht sich jedoch ein erstaunlicher Wandel der Ursprungstheorien im populären und wissenschaftlichen Bereich. Die „Zufall-und-Notwendigkeit“-Hypothese verliert an Glaubwürdigkeit. Immer häufiger begegne ich in meinen Vorträgen der Meinung, daß man ja völlig einig darin sei, daß das Leben nicht zufällig entstanden ist. Eine göttlich-lenkende Kraft stehe hinter allem. Man verwendet gerade die oben angeführten Argumente aus Chemie, Biologie und Informationstheorie. Grund zur Freude? Leider nicht uneingeschränkt. Als diese „göttliche Kraft“ sieht man nämlich nicht den Gott der Bibel an, sondern Götter anderer Religionen, seien diese pantheistisch oder hinduistisch oder theistisch geprägt. Gott als allgemeines Schöpfungsprinzip – ja, das kann man auch in akademisch-gebildeten Kreisen akzeptieren. Aber die „Enge“ der biblisch-historischen Offenbarung über den Ursprung und die Geschichte der Welt ist für die meisten Zeitgenossen heute genauso anstößig wie zu den Glanzzeiten materialistischer Philosophie. Im Klartext heißt das, daß man (auch im „christlichen Lager“) den historischen Verlauf der Evolution ohne wesentliche Abstriche akzeptiert, evolutionäre Zeithorizonte eingeschlossen. Das „göttliche Prinzip“ wird dabei in völlig unklarer Weise in die Lücken stammesgeschichtlicher Hypothesen gesetzt3.
Jesus – Meister der Evolution?
Die Fronten haben sich verlagert. Es geht zunehmend nicht um die Frage, ob ein Schöpfer oder ein Schöpfungsprinzip hinter der Welt steht, sondern um die Frage, ob es sich dabei um den Gott der Bibel handelt. Der Gott der Bibel zeichnet sich vor allen anderen Göttern dadurch aus, daß er ein Gott der Geschichte ist – er offenbarte sich durch sein welt-, menschheits- und heilsgeschichtliches Handeln, welches uns in der Bibel berichtet wird. Man könnte nun breite Einigkeit erzielen, wenn man die Bibel nur noch im Rahmen evolutionärer Geschichts- und Zeithorizonte auslegen würde. Die Studiengemeinschaft existiert jedoch genau deshalb, weil solche Auslegung in letzter Konsequenz zur Auflösung der Heilsbotschaft des Neuen Testamentes führt.
Denn Jesus ist nach dem Zeugnis des NT der Schöpfer der Welt4. Hat Jesus durch den Lauf der Jahrmillionen den Evolutionsprozeß gesteuert? Ist es Jesus gewesen, der die vormenschlichen Genkomplexe so durch Mutationen verändert hat, daß sich der moderne Mensch über rund 4 Millionen Jahre aus dem Tierreich erhoben hat? Hat Jesus dafür gesorgt, daß menschenähnliche Primaten sich im Daseinskampf gegen andere Gruppen durchsetzten? Schmerz, Leid und Tod („das Böse“) über ungezählte Generationen kennzeichnen die evolutionär vermuteten Stammeslinien der Tiere und des Menschen. Wenn ernsthaft behauptet wird, daß Jesus als Schöpfer durch Evolution geschaffen hat, dann heißt dies: Gott hat Tod und Leid als Mittel der Erschaffung benutzt. Und das läuft in letzter Konsequenz darauf hinaus, Tod und Leid als etwas Gutes auszugeben.
Wenn Jesus durch Evolution geschaffen hat, dann ist der Tod von Anfang an funktionaler Bestandteil der Welt, lange bevor es Menschen und den Sündenfall gab. Der Tod kann damit unmöglich durch die Sünde des Menschen in die Welt gekommen sein. Er gehört zum Leben notwendigerweise dazu und ist kein Widerspruch zu ihm. Damit ist aber die Argumentation des Apostels Paulus an zentraler Stelle5 durchbrochen. Wenn die Sünde und damit der Tod nicht durch den einen, Adam, in die Welt kam: Wozu ist dann der eine, Jesus, notwendig, durch den die Folgen der Sünde in der Vergebung und damit dem ewigen Leben aufgehoben sind? Wie kann der Tod der „letzte Feind“ sein, der durch Jesus besiegt wurde und endgültig vernichtet werden wird6, wenn Jesus durch eben diesen Todesmechanismus geschaffen hat? Somit wird deutlich, daß durch die Evolutionstheorie das Schöpfungs- und Erlösungswerk Gottes gründlich verraten wird.
Ich fasse in einem Bild zusammen: Die Evolutionslehre enthält ein Gedankengut, das bei konsequenter Durchhaltung das Evangelium von Jesus Christus „in Schutt und Asche“ legt. Das gilt auch und gerade, wenn man Gott als den Urheber oder Lenker der Evolution ansieht (theistische Evolution).
Schöpfungsforschung mit Fragen
Die Auseinandersetzung um Schöpfung und Evolution ist also nicht ein Nebenschauplatz der Auseinandersetzung um die Bibel, sondern liegt genau im Brennpunkt der Fragen nach der Gültigkeit der Heiligen Schrift. Mit scheinbar wissenschaftlichem Anspruch werden die zentralen Aussagen des Neuen Testaments in Frage gestellt, denn sie werden vor einem evolutionären Hintergrund sinnlos. Gibt die Bibel wirklich Geschichte der Welt wieder? Wann ist beispielsweise der Tod (Fossilbildung) in die Welt gekommen? Die von der Bibel geoffenbarte Menschheits- und Heilsgeschichte (Schöpfung, Sündenfall, Sintflut, Völkerzerstreuung, um nur einige Marken zu nennen) mit ihrem zeitlichen Horizont von ca. 6000 – maximal 10000 Jahren rückt ins Zentrum des Interesses, wird zum Hauptanstoß, ja zum Glaubenshindernis für den von Kindesbeinen an mit evolutionären Zeitvorstellungen aufgewachsenen Zeitgenossen. Eine schier un-übersehbare Aufzählung von Fakten und Deutungen aus Astronomie, Astrophysik, Geophysik, Geologie und Biologie bekomme ich in jeder Diskussion nach Vortragsveranstaltungen schon von Mittelstufenschülern zu hören: Die Zeitspannen evolutionärer Erdgeschichte sind bereits in der Vorstellungswelt unserer Teenager als unwiderleglich bewiesen verankert und lassen die biblisch geoffenbarte Heilsgeschichte unglaubwürdig erscheinen.
Es ist eine ernüchternde Feststellung, daß wir in der Schöpfungsforschung den fachlichen Einwänden bezüglich des Erdalters wenig entgegenzustellen haben. Wir akzeptieren aus Glauben die Heilsgeschichte der Bibel mit ihren Zeitspannen, denn würde diese Basis aufgegeben, so entstünde ein substantieller Verlust biblischer Botschaft (s. o.). Doch stehen wir Sachargumenten im Bereich der Kosmologie, historischen Geologie und Paläontologie noch recht hilflos gegenüber, wenn es darum geht, eigene wissenschaftliche Theorien zu entwickeln, die auf dem biblischen Zeugnis fußen und den faktischen Befund erklären. Zwar sind z. B. rasche Prozesse der Bildung geologischer Schichten oder der Fossilisation am geologischen Befund überzeugend demonstriert worden7, doch ruft die Einord-nung in ein geologisch-paläontologisch schlüssiges Gesamtmodell der Entstehung der Erdschichten und der darin enthaltenen Fossilien Fragen über Fragen auf, deren befriedigende Beantwortung im Sinne einer biblischen Schöpfungslehre derzeit nicht absehbar ist.
Schöpfungsforschung am Ende?
Sind Sie nach der Lektüre des letzten Abschnittes frustriert? Ich könnte Sie verstehen. Doch glücklicherweise haben wir die Offenbarung Gottes über den Ursprung der Welt! Die Wahrheit der Offen-barung Gottes hängt niemals davon ab, ob wir sie mit wissenschaftlichen Hypothesen belegen können. Wir wollen fröhlich glauben und vertrauen, auch wenn noch so vieles unklar ist. Der „erste Hauptsatz der Schöpfungslehre“ darf nie aus dem Zentrum der Studiengemeinschaft WORT UND WISSEN rücken: „Durch Glauben erkennen wir, daß die Welt durch Gottes Wort ins Dasein gerufen wurde“8. Im Glauben wissen wir damit, daß Gottes Offenbarung in seinem Wort und in seiner Schöpfung sich nicht widersprechen. Sein geoffenbartes Wort liefert deshalb den Schlüssel, die Basis zum Verständnis von Natur und Naturgeschichte. Auf der Basis des von Gott gegebenen heiligen Geistes kann unsere wissenschaftliche Forschungskapazität zur Erkenntnis der Wahrheit beitragen. Das ist Schöpfungsforschung! Und die Arbeit der letzten Jahre hat gezeigt, daß Gott reich gesegnet hat.
Schöpfungsforschung am Ende? Nein, wir sind am Anfang. Und Gottes Wort verheißt großartige Horizonte, wenn sich Mitarbeiter in die Ernte rufen lassen.
Schöpfungsforschung: eine Jahrhundertaufgabe
Nirgendwo im Neuen Testament ist uns verheißen, daß in der Nachfolge Jesu alles ganz einfach geht, daß uns alle Früchte ohne Anstrengung in den Schoß fallen, daß wir gar ohne Anfechtungen und Anfeindungen bleiben würden. So dürfen wir uns auch nicht wundern, daß in der Auseinandersetzung mit der beherrschenden Lehre unseres Jahrhunderts, der Evolutionslehre, mit „harten Bandagen“ gekämpft wird. Nach innen werden die Angriffe des Widersachers besonders gefährlich, wenn die Einheit in unserem Werk angegriffen wird. Nach außen hin sind wir wie David gegenüber Goliath – scheinbar hilflos, und doch steht Gott auf unserer Seite. Seit 150 Jahren betreiben Tausende von hochintelligenten Wissenschaftlern Evolutionsforschung, haben alle Energie und Akribie aufgewendet, um die Welt unter widerbiblischen Denkvoraussetzungen zu verstehen. 10 Jahre Schöpfungsforschung in der Studiengemeinschaft mit finanziell und personell äußerst begrenzter Kapa-zität scheint weniger als „ein Tropfen auf den heißen Stein“.
Wir leben in dem Land, in dem die akademische Bibelkritik geboren wurde. Sie hatte katastrophale Folgen für die Theologie der ganzen Welt. Ob uns das nicht in dem Kampf um die Bibel, der nach wie vor in vollem Gange ist und an Schärfe zunimmt, eine besondere Verantwortung auferlegt?
Anmerkungen
- Schöpfungslehre ist immer im umfassenden Sinne zu verstehen, nicht nur als „Ursprungsforschung“. Schöpfung im Sinne der Schöpfungslehre umfaßt die gesamte Wirklichkeit einschließlich ihrer historischen Dimension.
- Gitt, W. (1989) Information – die dritte Grundgröße neben Materie und Energie. Siemens Zeitschrift 63(4), 1-7
Hartwig-Scherer, S. (1989) Ramapithecus – Vorfahr des Menschen? Berlin.
Junker, R. (1989) Rudimentäre Organe und Atavismen. Konstruktionsfehler des Lebens? Berlin.
Junker, R. & Scherer, S. (1992) Entstehung und Geschichte der Lebewesen. Gießen. - Ditfurth, H. v. (1981) Wir sind nicht nur von dieser Welt. Hamburg.
Hemminger, H. (1988) Kreationismus zwischen Schöpfungsglauben und Naturwissenschaft. Orientierungen und Berichte 16, EZW Stuttgart. - Hebr 1,2; Kol 1,15f.; Joh 1; 1 Kor 8,6; Eph 3,9
- Röm 5,12-21
- 1. Kor 15,26
- Scheven, J. (1986) Karbonstudien. Neuhausen.
- Hebr. 11,3