Warum vertritt WORT UND WISSEN eine biblische Kurzzeit-Erdgeschichte, aber kein geologisches Sintflut-Modell?
Inhalt
- 1. Die biblische Urgeschichte (1. Mose 1-11) umspannt einen kurzen Zeithorizont von lediglich einigen Jahrtausenden
- 2. Der Sintflutbericht bezeugt wie die gesamte biblische Urgeschichte historische Wirklichkeit
- 3.1 Erstes Problem der Sintflutgeologie: Die extrem kurze Zeit von einem Jahr ist viel zu knapp für die geologischen Abläufe
- 3.2 Zweites Problem der Sintflutgeologie: Wie verhalten sich natürliche katastrophische geologische Abläufe zum Sintflut-Strafwunder?
- 4. Eckpunkte biblisch-urgeschichtlicher Geologie: Zwischen Sündenfall und Besiedlung des Zweistromlandes, der Zeit vor Abraham
- 5. Zusammenfassung und wichtigster Gesichtspunkt:
Biblisch-urgeschichtliche Geologie kann ansatzweise Befunde deuten, die sintflutgeologisch nicht erklärbar sind - Literatur
1. Die biblische Urgeschichte (1. Mose 1-11) umspannt einen kurzen Zeithorizont von lediglich einigen Jahrtausenden
Eine Besonderheit der Urgeschichte ist der kurze Zeit-horizont, in den die Ereignisse zwischen Schöpfung (Sechstagewerk) und Abraham gestellt werden. Diese Zeitspanne ist durch datierte Abstammungsfolgen von Adam bis Noah (1. Mose 5) und Noah bis Abraham (1. Mose 11,10-26) gegliedert. Die Zahlenangaben der Abstammungsfolgen in den Bibelhandschriften des überlieferten hebräischen (masoretischen) Textes, der samaritanischen fünf Bücher Mose und der griechischen Übersetzung des AT (Septuaginta) weichen allerdings voneinander ab (vgl. z.B. WESTERMANN 1974, 478.744):
Die Abweichungen gehen auf spätere Abschreiber zurück. Sie betreffen nicht den (inspirierten) Urtext; dessen ursprüngliche Zahlen sind hier aber nicht (sicher) bekannt.
Für geologische Fragestellungen wäre man geneigt, eher die vergleichsweise größeren Jahreszahlen der Septuaginta zugrundezulegen (vgl. Tab. 1). Denn während die Urgeschichte im masoretischen Text nur etwas über 2000 Jahre umfaßt (besonders kurz ist die Zeitspanne von knapp 400 Jahren nach der Flut), sind es in der Septuaginta ca. 3500 Jahre (zum Ganzen WISKIN 2003). WHITCOMB & MORRIS (1977, 482-496) nennen plausible innerbiblische Gründe dafür, daß die Stammbäume wahrscheinlich lückenhaft und nicht als strenge Chronologie zu verstehen sind, daß also die Flut weiter zurückliegt und etwa „3000 bis 5000 Jahre vor Abraham stattgefunden haben kann“. Andererseits ist es jedoch nicht statthaft, die Stammbäume unbegrenzt zu dehnen, ohne sie ihres Sinnes zu berauben: „Selbst 5000 Jahre zwischen der Flut und Abraham sind … wohl schon zu viel“ (496).
2. Der Sintflutbericht bezeugt wie die gesamte biblische Urgeschichte historische Wirklichkeit
Der Sintflut-Abschnitt berichtet von einer weltweiten Überflutung, in der alle Menschen und Landtiere umkamen; die Flut stieg über alle hohen Berge, die es damals gab (1. Mose 7,19-23; vgl. WESTERMANN 1974, 588-591; V. RAD 1987, 95f.). Die Flut ist ein Teil der biblischen Urgeschichte; diese handelt aber von Ereignissen und Zeiten, die uns wissenschaftlich entweder überhaupt nicht (vor allem das Wirken des Schöpfers) oder nur teilweise zugänglich sind. Insbesondere dürften bis zum Sündenfall wegen der Abwesenheit des Todesgeschicks für Menschen und Tiere (Römer 8,19-22) die Lebensbedingungen noch (ganz) anders gewesen sein, denn erst „seit Adams Fall ist (…) die ganze menschliche und außermenschliche Schöpfung (…) unter die Gewalt der Sünde, des Todes und der Vergänglichkeit geraten…“ (STUHLMACHER 1992, 270). Hierher gehört das ursprüngliche Gebot ausschließlicher Pflanzennahrung für Tiere und Menschen (1. Mose 1,29f.); dies wurde erst nach der Sintflut geändert (9,2f.; zum Ganzen vgl. JUNKER 1994, 107-124; 220ff.). Auch die rätselhaften Ereignisse um die „Gottessöhne, Menschentöchter und Riesen der Vorzeit“ (1. Mose 6,1-4; vgl. STADELMANN 1984, 32f.) könnten ein Hinweis auf die Andersartigkeit der Urgeschichte sein, insbesondere vor der Sintflut. Aber auch wenn sich die Urgeschichte teilweise unter anderen Bedingungen ereignete als alles Spätere, handelt es sich doch um echte Geschichte. Sie ereignete sich auf dieser Erde, nicht „jenseits der Geschichte“ (so z.B. WESTERMANN 1967, 243). Obwohl selbst gegenteiliger Ansicht, beschreibt auch ein Teil der historisch-kritischen Alttestamentler diese Aussageabsicht der Urgeschichte teilweise mit Wendungen wie: „Mit 1. Mose 1 hebt das Geschichtswerk an, das nun durchläuft bis zur Sinaioffenbarung und der Landnahme der Stämme. (…) Es ist also daran festzuhalten, daß hier ein Tatsachenbericht gegeben werden will“ (V. RAD 1987, 43.51; kursiv im Original; vgl. RUPPERT 1979, 27-32). „Die Zeitangaben und Begriffe (…) unterstreichen, daß es sich um (…) auch chronologisch fixierte, einmalige Ereignisse in der Urzeit“ handelt (WITTE 1998, 252f.; vgl. STEPHAN & FRITZSCHE 2003, 18-27).
3.1 Erstes Problem der Sintflutgeologie: Die extrem kurze Zeit von einem Jahr ist viel zu knapp für die geologischen Abläufe
Mit dem Begriff Sintflutgeologie sind (unterschiedliche) geologische Modellvorstellungen gemeint. Das bedeutet: Der Zusammenhang, der zwischen Sintflut und Geologie hergestellt wird, beruht auf mehr oder weniger gut begründeten Annahmen. Die biblische Urgeschichte enthält darüber keine direkten Vorgaben (vgl. STEPHAN & FRITZSCHE 2003, 31f.133-141). Gemeinsam ist diesen Modellen, daß der größte Teil der geologischen Schichtenfolge, die hauptsächlich aus Ablagerungsgesteinen (Sedimenten) besteht, im Sintflutjahr entstanden sei. Den Beginn der neueren Sintflutgeologie kann man mit dem Buch The Genesis Flood (WHITCOMB & MORRIS 1961; deutsch 1977) markieren (vgl. STEPHAN & FRITZSCHE 2003, 91-94).
Das grundlegende Problem der Sintflutgeologie besteht in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit. Man bedenke: Die enormen Gesteinsfolgen, deren Entstehung die herkömmliche Geologie in einen Zeitrahmen von etwa 470 Millionen Jahre stellt (Kambrium bis Kreide; s.u.), müß-ten in dem einen Jahr der Sintflut entstanden sein (vgl. Tab. 1). Das wäre bei einer Gesamtmächtigkeit dieser Schichtfolgen von „nur“ 10 km (es können jedoch weit mehr sein!) eine kontinuierliche Ablagerungsgeschwindigkeit von regional etlichen Dutzend Meter pro Tag bis weit darüber (ganz abgesehen von der Frage nach der Herkunft solcher Sedimentmengen in kürzester Zeit). Das geht nicht ohne mega-katastrophische Bedingungen (s. 3.2). Aber gerade unter solchen Bedingungen sind zahlreiche Befunde in der Abfolge der Schichtgesteine nicht erklärbar; einige wichtige werden hier genannt:
• Sehr bedeutsam sind die insgesamt nicht seltenen Unterbrechungen der Ablagerung durch gewachsene Riffe (vgl. STEPHAN & FRITZSCHE 2003, 144-150). Das ist eines der gravierendsten Probleme, denn fossile Riffbauer wie bestimmte kalkabscheidende Einzeller, Muscheln, Schwämme oder Korallen erreichen nur ein begrenztes Wachstumstempo.
• Besonders wichtig sind auch die detailliert geordneten Abfolgen zahlreicher abgestuft ähnlicher Fossilarten in übereinanderliegenden Schichten (besonders viele Leitfossi-lien). Diese Abfolgen sind keineswegs nur Fachleuten, sondern auch vielen Sammlern gut bekannt (Abb. 1; vgl. STEPHAN 2002/03; s. 5.).
• Die grobe Abfolge der großen Fossilgruppen, die in der Evolutionslehre eine erhebliche Rolle spielt. Das sind z.B. von unten nach oben: Wirbellose – Fische – Amphibien – Reptilien – Säugetiere – Menschen (vgl. STEPHAN 2002; s. 5.).
• Der mindestens fünfmalige krisenhafte Wechsel der Fossilgemeinschaften in der Schichtenfolge („Big Fife“), z.B. am Ende des Ordovizium oder im Oberdevon, kann im Sintflutjahr nicht verstanden werden (vgl. STEPHAN & FRITZSCHE 2003, 102f.).
Unter Sintflutgeologie werden hier geologische Modelle verstanden, nach denen der größte Teil der geologischen Systeme ab Kambrium während des Sintflutjahres entstanden ist. In von der SG Wort und Wissen vertretenen biblisch-urgeschichtlichen Geologie wird dagegen auch mit erheblicher Schicht- und Fossilbildung in der Zeit vor der Sintflut, zum Teil auch noch danach, gerechnet.
• Sehr zahlreiche Schichtfolgen wurden von Bodenbewohnern durchwühlt. Das bedeutet: Diese Lebewesen muß-ten immer wieder (zumindest kurze) Zeit zur Besiedlung in diesen Schichtfolgen finden, was ohne oftmalige Unterbrechungen im Ablagerungsgeschehen nicht möglich ist.
• Die mehrmalige, zum Teil organische Erzeugung großer Kalkmengen durch Mikroorganismen, die Kalksteine in verschiedenen Stockwerken der Schichtenfolge hinterlassen haben (vgl. STEPHAN 2002/03; STEPHAN & FRITZSCHE 2003, 111-114).
• Die zahlreichen trockengefallenen Schichtoberflächen mit Trockenrissen oder Salzausblühungen belegen zumindest kurzzeitige Sedimentationspausen.
• Wie Fußspuren (Fährtenzüge, Trittsiegel) belegen, waren zahlreiche Oberflächen in der Abfolge der Schichtgesteine zumindest kurzfristig von Tieren besiedelt.
• Dazu gehören ebenfalls die Gelege (Nester mit Eiern) von Dinosauriern in übereinanderliegenden Schichten (vgl. STEPHAN & FRITZSCHE 2003, 108-111).
• Auch die oft beschriebenen Wurzelhorizonte (z.B. von Schachtelhalmen) belegen jeweils zumindest saisonale Unterbrechungen des Ablagerungsgeschehens. (Hier sind nicht die sogenannten „Wurzelböden“ steinkohleführender Schichten gemeint! Vgl. STEPHAN & FRITZSCHE 2003, 94-97.106-108.)
Solche Befunde, die noch erheblich vermehrt werden könnten, überschreiten den zeitlichen Rahmen des Sintflutjahres, besonders in ihrer Gesamtheit, bei weitem. Es ist daher nicht erstaunlich, daß ein Teil der sintflutgeologischen Modelle den obersten Teil der Schichtenfolge nach der Sintflut einordnet (Tertiär oder sogar Kreide und Tertiär). Noch weiter gehen Vorstellungen, die etwa die obere Hälfte der geologischen Systeme nach dem Sintflutjahr plazieren (ab Perm). In manchen Modellen wird sogar die gesamte Abfolge der Schichten, die Makrofossi-lien enthalten – also spätestens ab Kambrium –, in die Zeit nach der Flut gestellt (vgl. Tab. 1). Hier ist unter dem Druck geologischer Befunde die eigentliche Sintflutgeologie schrittweise aufgegeben worden (s. 4.).
Diese Aufspaltung der Sintflutgeologie zwischen den 1970er und 1990er Jahren (die Begründungen für die jeweiligen Modelle widerlegen sich teilweise gegenseitig) ist unseres Erachtens ein deutlicher Hinweis auf ihre innere Widersprüchlichkeit (Inkonsistenz) und auf ungelöste Basisprobleme, wie sie in diesem Diskussionsbeitrag benannt werden (ausführliche Darstellung und Diskussion bei STEPHAN & FRITZSCHE 2003, 88-125).
3.2 Zweites Problem der Sintflutgeologie: Wie verhalten sich natürliche katastrophische geologische Abläufe zum Sintflut-Strafwunder?
Eine in der neueren Sintflutgeologie kaum behandelte Frage ist die nach der eingeschränkten Gültigkeit natürlicher Abläufe während der Flut. Zur Zeit der älteren Sintflutgeologie im 17./18. Jahrhundert wurde diese Frage immerhin diskutiert (s.u.). Grundvoraussetzung heutiger Sintflutgeologie ist: Während der Flut herrschte keine Gleichförmigkeit geologischer Abläufe (engl. Uniformitarismus; hier wird oft an 2. Petrus 3,3-6 erinnert). Vielmehr führte die gigantische Beschleunigung geologischer Abläufe (Mega-Katastrophismus) in kürzester Zeit zu enormen Auswirkungen auf der Erdoberfläche. (Diese extremen Steigerungen des Tempos sprengen dann nicht den „normalen“ physikalischen Rahmen, wenn dafür natürliche Gründe angeben werden können. Vgl. zum methodologischen Hintergrund GOULD 1990, 165-194.)
Nun ist aber die Sintflut in der biblischen Urgeschichte ein Strafgericht Gottes. Ist sie damit nicht ausschließlich als Wunder gekennzeichnet (s. 2.)? Was würde das für mögliche geologische Auswirkungen bedeuten?
Tab. 1 Links Inhalt der biblischen Urgeschichte, rechts Abfolge der geologischen Systeme (mit herkömmlichen radiometrischen Altersangaben in Millionen [Mio.] Jahren). Unten rechts: Menschliche Kulturabfolgen in Kursivschrift (Altsteinzeit usw.) während Eiszeit und Nacheiszeit. In der linken Spalte wurde die etwas längere Chronologie der griechischen Übersetzung des Alten Testaments (Septuaginta) verwendet (s. 1.). – Spätestens ab dem Kambrium liegen Tierfossilien vor; das bezeugt die Herrschaft des Todes und damit den Sündenfall (Römer 8,19-22; s. 2.). Wichtig ist: Der Vergleich zwischen biblischer Urgeschichte und herkömmlicher Geologie bzw. Kulturfolgen ist nicht streng parallel zu verstehen; es soll nur eine ungefähre Vorstellung vermittelt werden, wie die Abfolgen im Rahmen eines biblisch-urgeschichtlichen Kurzzeit-Verständnisses ganz grob parallelisiert werden könnten (abgesehen von den Millionen Jahren). In der oberen Tabellenhälfte ist besonders die extreme Altersdifferenz zwischen biblischer (linke Spalte) und geologischer Chronologie (rechte Spalte) zu beachten! Bei den Kulturen (untere Tabellenhälfte) ist die Altersdifferenz zwischen biblischer und herkömmlicher Chronologie nicht mehr so groß; sie wird mit Annäherung an die Zeit Abrahams immer geringer. Zu beachten ist ferner, dass die Kulturen nicht (immer) streng zeitlich aufeinander folgen; sie überschneiden sich zum Teil, was durch Schrägstriche [/]) angedeutet wird. – Die Sintflut (linke Spalte) soll nicht einfach mit Tertiär und/oder Quartär (rechte Spalte) parallelisiert werden. Es ist nur angedeutet, dass sie in den jüngeren Abschnitt der geologischen Schichtenfolge fallen könnte, denn mehrere Städte im Zweistromland wurden anscheinend nicht allzu lange nach der Flut gebaut (1. Mose 10,6-11; s. 4.). – Demgegenüber nimmt die herkömmliche Sintflutgeologie (zumeist) an, die gesamte Abfolge der Systeme von Kambrium bis Kreide (bzw. Tertiär) sei im Sintflutjahr entstanden (s. 3.1); diese angenommenen „Sintflut-Abschnitte“ sind dunkel unterlegt (rechte Spalte).
Sollte Gott die Flut in ausschließlich wunderhafter Weise bewirkt haben, wären unter Umständen keine Über-reste der Sintflut in Form von Schichtgesteinen und Fossilien zu erwarten, d.h., die Flut hinterließ möglicherweise keine erforschbaren Spuren. Denn man kann nicht ohne weiteres voraussetzen, daß Gottes Wunderhandeln erforschbare Objekte hinterläßt. Ähnlich wurde zum Teil in der Sintflutdebatte des frühen 18. Jahrhunderts argumentiert (vgl. BLEI 1981, 39-41). Demgegenüber wären im ersten Fall, wenn also nur das Tempo der Abläufe im natürlichen physikalischen Rahmen extrem gesteigert wurde, erforschbare Auswirkungen des Flutjahres eher zu erwarten. Solche Abläufe können bei der Sintflut als Strafgericht Gottes aber nicht einfach vorausgesetzt werden; zumindest bleibt offen, inwieweit Gott in besonderer Weise (wunderhaft) gehandelt hat (vgl. STEPHAN & FRITZSCHE 2003, 153f.159).
4. Eckpunkte biblisch-urgeschichtlicher Geologie: Zwischen Sündenfall und Besiedlung des Zweistromlandes, der Zeit vor Abraham
Die Sintflutgeologie im engeren Sinn legt die Ablagerung der Schichtgesteine weitgehend in das Sintflutjahr. Sie stößt dabei jedoch auf die genannten Probleme (s. 3.1/2). Demgegenüber zieht die von WORT UND WISSEN vertretene biblisch-urgeschichtliche Geologie für die Gesteinsbildung auch den weiteren Zeitrahmen der Urgeschichte heran. Der Schöpfungsbericht (1. Mose 1 und 2) wird dabei ausgeschlossen, da Schichtgesteine mit Fossilien als Zeugnisse des Todes vor dem Sündenfall des Menschen (1. Mose 3) nicht entstehen konnten (Römer 8,19-22; s. 2.).
Es scheint aber nichts gegen enorme geologische Abläufe schon seit dem Sündenfall zu sprechen (vgl. Tab. 1). Der Sündenfall war das einschneidendste Ereignis der Weltgeschichte und in seiner bleibenden Universalität ungleich nachhaltiger als die Sintflut. Denn seitdem herrscht der Tod über die Menschen- und Tierwelt (s. 2.). Im Rahmen biblisch-urgeschichtlicher Geologie wird damit gerechnet, daß enorme Gesteinsbildung schon zwischen Sündenfall und Sintflut möglich war. Dann wäre diese Zeit nicht einfach ein „Zeitalter der Ruhe“ gewesen. Ungeachtet der teilweisen Andersartigkeit der Urgeschichte wird also vorausgesetzt, daß die physikalischen Prozesse den heutigen vergleichbar gewesen sein dürften, aber das Tempo geologischer Abläufe erheblich gesteigert war.
Es ist eine Hauptaufgabe biblisch-urgeschichtlicher Geologie, diese Annahme anhand detaillierter Forschungsprojekte (zunehmend) wahrscheinlicher zu machen (vgl. vorläufig EGLI-ARM 2001; HERZOG [& ZIMMERMANN] 2001; STEPHAN 1998; 2002/03).
Nach den Jahreszahlen des Septuaginta-Textes lagen zwischen Sündenfall und Sintflut mehr als 2200 Jahre (vgl. Tab. 1); diese Zeitspanne dürfte jedoch wegen der wahrscheinlichen Lückenhaftigkeit der Stammbäume noch größer sein (s. 1.). Die Geschwindigkeiten geologischer Abläufe in der Zeit vor der Flut wären zwar erheblich höher gewesen als heute, aber von ungleich geringerer Intensität als die gigantischen geologischen Katastrophen, die Sintflutgeologen für das Flutjahr annehmen müssen. Denn die geologischen Ereignisse hätten während dieser bedeutend längeren Zeitspanne mehrere tausendmal langsamer bzw. energieärmer verlaufen können, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Man kann vermuten, daß die vorsintflutlichen Menschen unter diesen Bedingungen in bestimmten relativ geschützten, aber wechselnden Gebieten ein Nomadenleben mit Tierherden führen konnten (vgl. 1. Mose 4,20). Zumindest zeitweise waren aber auch feste Wohnsitze mit Schafzucht, Ackerbau und Handwerk möglich (vgl. 1. Mose 4,3f.17.21f.; vgl. Tab. 1). Hier wird angenommen, daß die Menschen sich damals in geologisch nicht überlieferten Lebensräumen aufhielten (STEPHAN 2002).
Auch nach der Sintflut könnte man durchaus – ähnlich wie ein Teil der Sintflutgeologen! (s. 3.1) – noch eine Zeitlang mit erheblichen, dann aber schwächer werdenden geologischen Aktivitäten rechnen. Mit dem ausgehenden Tertiär und zunehmend im Verlauf des Pleistozäns (Eiszeit) treten verschiedenartige Steinkulturen auf, zum Teil gestaffelt nacheinander (HARTWIG-SCHERER 1991; vgl. vorläufig HARTWIG-SCHERER & SCHERER 1991). In der Nacheiszeit, aber mit jüngeren Steinkulturen teilweise überlappend, wurden die sog. Hochkulturen gegründet (Tab. 1; vgl. vorläufig OBENLAND 1991). Über Städte(bau), Landnahme und Reichsgründung Nimrods im Zweistromland (Land Schinar und Assur) wird gegen Ende der Urgeschichte knapp berichtet (1. Mose 10,10-12; VAN DER VEEN & ZERBST 2000; vgl. 1. Mose 11,2-9).
Da also gegen Ende der Urgeschichte das Zweistromland bezeugt ist – eine typische, junge Schwemmlandebene – war nun die Erdoberfläche praktisch in ihrer heutigen Gestalt ausgebildet. Danach gab es nur noch vergleichsweise geringe geologische Aktivitäten. Das schließt regionale (geologische) Katastrophen wie den Untergang von Sodom und Gomorra zur Zeit Abrahams (1. Mose 19) natürlich nicht aus.
5. Zusammenfassung und wichtigster Gesichtspunkt:
Biblisch-urgeschichtliche Geologie kann ansatzweise Befunde deuten, die sintflutgeologisch nicht erklärbar sind
• Es wurden Belege für vielfache Unterbrechungen des Ablagerungsgeschehens genannt (s. 3.1). Sie treten in allen größeren Schichtabschnitten seit dem Kambrium auf; ihre Bildung kann im Sintflutjahr nicht verstanden werden. Vielmehr überschreitet die Gesamtentstehungszeit aller fossilführenden Schichtgesteine vom Kambrium bis zum Quartär das Sintflutjahr beträchtlich (vgl. Tab. 1). Zahlreiche Schichtfolgen sind zwar sehr rasch abgelagert worden, aber es ist nicht möglich, sich über Tatbestände wie die genannten hinwegsetzen.
• Es besteht jedoch begründete Hoffnung, solche Befunde im vergleichsweise breiteren Zeithorizont der biblischen Urgeschichte zu erklären. Biblisch-urgeschichtlicher Geologie steht für geologische Modellbildungen der gesamte Zeitrahmen vom Sündenfall bis nach der Sintflut zur Verfügung, insgesamt mehrere tausend Jahre. Verglichen mit der herkömmlichen Geologie ist das zwar immer noch sehr wenig, aber es ist nicht derart gedrängt und problembehaftet wie im Sintflutjahr.
• Für die grob gestaffelte Abfolge der Fossilgruppen wird vorgeschlagen: Die Lebewesen haben während der Zeit ihrer fossilen Abwesenheit in geologisch nicht überlieferten Lebensräumen gelebt. Dieses Konzept orientiert sich generell an dem Befund, den die herkömmliche Paläontologie z.B. bei den sog. „Lazarus-Fossilien“ ermittelt hat (vgl. etwa ELDREDGE 1994, 124-127.198). Demgemäß wird angenommen: Die Organismengruppen traten jeweils erst aus der Verborgenheit hervor (und später wieder ab), als sie durch günstige ökologische Umstände bevorzugt (bzw. später wieder benachteiligt) wurden. Das Gleiche wird für das (späte) fossile Auftreten des Menschen angenommen (ausführlich STEPHAN 2002). Dieser Vorschlag muß allerdings erst durch detaillierte Studien ausgearbeitet und erhärtet werden. Ansätze dazu kann u.a. die heutige Erforschung erdgeschichtlicher Katastrophen liefern (vgl. z.B. HANSCH 2003).
• Auch für die oft dicht übereinander auftretenden, sich abwandelnden Reihen eng verwandter Fossilien, insbesondere Leitfossilien, werden ökologische Gründe geltend gemacht (Abb. 1). Wie aus heutigen Forschungen bekannt ist, kann massiver Umweltstress schon im Verlauf von Jahren bzw. Generationen zu Gestalt- bzw. Gehäuseabänderungen bei Lebewesen führen (Überblick bei JUNKER & SCHERER 2001, 290-294). Da diese Prozesse heute schnell ablaufen, kann auch dies Licht auf die rasche Bildung vieler Schichtfolgen werfen (vgl. STEPHAN 2002/03).
• Die überaus schwierige Frage, welcher Abschnitt der Schichtenfolge das Sintflutjahr repräsentiert, kann aus unserer Sicht bisher nicht wirklich beantwortet werden (vgl. Jeremia 31,37). Das mag unbefriedigend sein, doch würde sich bei einer Identifizierung eindeutiger Sintflutschichten am oben skizzierten Gesamtbild (s. 4.) wenig ändern. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß künftige Forschung, wenn Gott es schenkt, diesem Geheimnis auf die Spur kommen könnte – es sei denn, daß er im Sintflutgericht ausschließlich wunderhaft gehandelt hat.
Literatur
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