Covid-19 und mRNA-Impfstoffe – eine kleine Orientierungshilfe
Mit einer außerordentlichen Anstrengung sind in der Pharmaforschung angesichts des Infektionsgeschehens durch das SARS-CoV-2-Virus (Corona-Virus) Impfstoffe entwickelt und produziert worden. SARS-CoV-2 kann die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen. Nach erfolgter Zulassung durch beschleunigte Verfahren sollen möglichst große Teile der Bevölkerung durch Impfung mit den entsprechenden Seren gegen SARS-CoV-2 immunisiert werden. Hier sollen einige wichtige Informationen zusammengestellt werden, die für die Beurteilung des Nutzens und der Gefahren der Impfstoffe wichtig sind. Welche Arten von Impfstoffen gibt es? Wie funktionieren die neuen mRNA-Impfungen? Und was bedeutet Immunität?
Vorbemerkung des Herausgebers: Wir haben bei der SG Wort und Wissen sehr viele Anfragen zum Corona-Virus, zur dadurch ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 und zum neuartigen Impfstoff gegen das Virus erhalten. Da unser Mitarbeiter Peter Borger durch seine frühere akademische Tätigkeit eingehende Kenntnisse über Virus-ähnliche genetische Elemente des Genoms besitzt, haben wir uns entschlossen, die nachfolgende Information zu diesem für die SG Wort und Wissen eher untypischen Thema weiterzugeben. In den ersten Abschnitten erhalten Sie über den konkreten Anlass hinaus einige Informationen über das menschliche Immunsystem, die Anlass zum Dank an den Schöpfer geben, der den Menschen mit diesen ausgefeilten und lernfähigen Abwehrmechanismen ausgestattet hat. Dass das Immunsystem überfordert sein kann, ist ein Symptom der gefallenen Schöpfung, sollte aber nicht vergessen machen, dass es in den meisten Fällen sehr wirkungsvoll ist. Jeder Einzelne ist persönlich herausgefordert eine Position zu beziehen und diese durch sein entsprechendes Verhalten zu verantworten.
Virusimmunität
Ein in den Körper eindringender Krankheitserreger wie das Virus SARS-CoV-2 muss eine Vielzahl von Barrieren überwinden, bevor er eine Erkrankung auslösen kann. Diese Hindernisse ermöglichen eine natürliche Immunität. Es gibt mindestens fünf Verteidigungslinien des Körpers, die durchbrochen werden müssen.
Zunächst müssen die schützenden epithelialen Barrieren durchbrochen werden. Diese bestehen aus der Haut, der Nasenschleimhaut und der Lungenschleimhaut. Darüber hinaus enthält die Schleimhaut viele Arten von Molekülen, die die Eindringlinge unschädlich machen. Gelingt es dem Virus, diese Barrieren zu durchbrechen und in eine Zelle einzudringen, kommt es sofort mit den Zellen des Immunsystems in Kontakt, den Natural-Killer- und den Thymus-abhängigen Zellen, der sogenannten NK- & T-Zell-Barriere des Immunsystems. Dies wird durch Interferone und Perforine unterstützt und ist eine sehr starke und effektive Immunantwort, die virusinfizierte Zellen „markiert“ und dann zerstört. Gleichzeitig wird das so genannte Komplementsystem aktiviert. Dabei handelt es sich um ein umfassendes System von Serumproteinen, die nacheinander aktiviert werden, um die Viren zu markieren, sodass sie durch spezielle Fresszellen eliminiert werden können. Durch Aktivierung dieser auch als Makrophagen bezeichneten Fresszellen werden auch alle Zellen mit Krankheitserregern sowie abgestorbene oder sterbende Zellen entsorgt. Gleichzeitig werden Zytokine ausgeschieden, darunter Interleukin-1, die einen Anstieg der Körpertemperatur (Fieber) verursachen, was die Virusvermehrung hemmt. Alle diese Systeme arbeiten zusammen, um die Krankheitserreger zu stoppen.
Ist die Virusinfektion damit noch nicht überwunden, wird das sogenannte adaptive Immunsystem angeregt, was eine Antikörperproduktion auslöst. Diese Reaktion besteht in der Aktivierung defensiver weißer Blutkörperchen, der sogenannten B-Zellen. Es ist eigentlich die letzte Antwort gegen einen Eindringling, aber eine sehr wichtige. Die B-Zellen erkennen die Eindringlinge (mit ihren Zellmembran-gebundenen Antikörpern) und beginnen, Antikörper freizusetzen, die die Krankheitserreger binden und markieren. Diese Markierung stellt sicher, dass der Eindringling durch Phagozyten (Fresszellen) eliminiert wird. Sie werden durch andere weiße Blutkörperchen (T-Helferzellen) aktiviert, die spezielle Moleküle (Zytokine) freisetzen, welche es den B-Zellen ermöglichen, den Eindringling immer besser zu erkennen (Isotypenwechsel). Die B-Zellen, die die besten Antikörper produzieren, werden vom Immunsystem ausgewählt und vermehrt: klonale Expansion. Am Ende bleibt eine Population von „Superzellen“ übrig, die hochspezifische Antikörper produzieren (jetzt als Plasmazellen bezeichnet). Jetzt ist das gesamte Immunsystem aktiviert, um die Infektion möglichst rasch zum Abklingen zu bringen.
Sogenannte B-Gedächtniszellen zirkulieren nach einer überstandenen Infektion im Körper noch jahrelang, manchmal lebenslang, und reagieren bei der nächsten Begegnung mit dem gleichen Erreger sofort mit der richtigen Antikörperreaktion. Es ist diese adaptive, Antikörper-getriebene Immunität, über die in den Medien im Zusammenhang mit den Impfstoffen berichtet wird. Denn diese Immunisierung soll mit Impfstoffen erreicht werden, die die Antikörperantwort ermöglichen bzw. verstärken sollen.
Eine Immunität besteht jedoch aus viel mehr als nur aus diesen Antikörpern. Tatsächlich liegen Studien vor, die zeigen, dass 30–60% der untersuchten Bevölkerung aufgrund der NK- und T-Zell-Immunität oder durch immunologische Kreuzreaktionen mit anderen (Corona-)Viren bereits eine Immunantwort gegen das Virus SARS-CoV-2 besitzen [1-4]. Wie dringend notwendig ist also eine bevölkerungsweite Immunisierung durch eine Impfung?
Unser Immunsystem ist also fast immer in der Lage, eine angemessene Antwort auf äußere Bedrohungen zu finden. Allerdings braucht das Immunsystem manchmal eine helfende Hand, insbesondere wenn es mit einem sehr aggressiven Virus oder mit einem lebensbedrohlichen Mikroorganismus konfrontiert wird. Diese Unterstützung geschieht durch Immunisierung mit einem Impfstoff. Im Laufe der Zeit sind viele verschiedene Impfstoffe entwickelt worden. Diese sollen nachfolgend näher betrachtet werden, wobei wir uns auf Impfstoffe gegen Viren konzentrieren. Es gibt zwei deutlich unterschiedliche Kategorien von antiviralen Impfstoffen: 1. Impfstoffe, die inaktivierte Virusteile oder Virusproteine enthalten, und 2. Impfstoffe, die für virale Proteine codieren (DNA, mRNA oder rekombinante Viren).
Impfstoffe, die ein inaktiviertes oder abgeschwächtes Virus oder Virusproteine enthalten
In herkömmlichen Impfstoffen werden entweder abgeschwächte oder tote Viren oder Fragmente davon verabreicht. Bereits im 18. Jahrhundert wurden Menschen mit fein gemahlenen Krusten von Pockenwunden von Kuhpocken gegen die echten Pocken (Variola) immunisiert. Die bei Kühen aufgetretenen Pocken erwiesen sich beim Menschen als viel weniger aggressiv, und diejenigen, die damit in Kontakt kamen, waren anschließend gegen Variola immun. Die Impfstoffe, die mit abgeschwächten Erregern arbeiten, lösen eine breite Immunantwort gegen alle Oberflächenproteine von Viren aus. Kommt man nun mit einem ähnlichen, dem eigentlichen Erreger in Kontakt, wird das ganze Immunsystem gezielt aktiviert und das Virus beseitigt. Pockenimpfstoffe sowie beispielsweise die Impfstoffe gegen Masern, Mumps und Röteln sind sogenannte Lebendimpfstoffe mit solchen abgeschwächten Erregern. Personen mit einem geschwächten Immunsystem (z. B. Patienten, die sich einer Chemotherapie unterziehen) sollten diese Impfstoffe nicht verabreicht werden. Diesen Nachteil besitzen Totimpfstoffe nicht. Dabei handelt es sich entweder um Impfstoffe aus inaktivierten Krankheitserregern (sog. Ganzpartikelimpfstoffe, z. B. gegen Hepatitis A und Polio) oder um Impfstoffe aus Fragmenten wie z. B. einem oder mehreren viralen Oberflächenproteinen (sog. Subunit-Impfstoffe, z. B. gegen Grippe).
Herkömmliche Impfstoffe haben den Nachteil, dass bei der Herstellung eine große Menge von Viren benötigt wird, die unter hohem zeitlichen Aufwand in Zellen oder Hühnereiern gezüchtet werden müssen. Für eine Impfstoffdosis werden mehrere Milliarden Viruspartikel benötigt, die aufgrund der Arbeit mit gefährlichen Viren unter strengen Sicherheitsvorschriften produziert und aufgearbeitet werden müssen.
Um diesen Problemen zu begegnen, wurden rekombinante Subunit-Impfstoffe entwickelt, bei denen die viralen Oberflächenproteine beispielsweise mittels gentechnisch veränderter Hefezellen produziert werden (z. B. gegen Hepatitis B und HPV).
Wie Medikamente können auch Impfstoffe Nebenwirkungen verursachen. Daher fordern verschiedene Kontrollbehörden wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie regionale Zulassungsbehörden wie die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) umfangreiche Testphasen mit vielen aufwändigen Studien. So dauert die Entwicklung eines Impfstoffs bis zur Zulassung in der Regel mindestens 5–10 Jahre.
Antigencodierende Impfstoffe
Impfstoffe, welche die (meist modifizierte) Erbinformation (DNA, mRNA) eines Erregers beinhalten, werden als „antigencodierende Impfstoffe“ bezeichnet. Diese Impfstoffe enthalten die genetische Information für das Virusprotein (Antigen), gegen das eine Immunreaktion ausgelöst werden soll. Nach der Impfung findet dann die Produktion des Virusproteins in den körpereigenen Zellen statt.
Solche Impfstoffe wurden auf dem Gebiet der Immunisierung seit einigen Jahren unter anderem gegen verschiedene Krebsarten entwickelt [5]. Mit Ausnahme der im Zusammenhang mit Covid-19 entwickelten Impfstoffe liegen jedoch noch keine Zulassungen für andere Anwendungen vor, befinden sich aber in fortgeschrittenen Testphasen [6].
Ein großer Vorteil dieser Impfstoffe besteht darin, dass sie sehr schnell entwickelt und produziert werden können. Sie können im Labor ohne die Verwendung von menschlichen oder tierischen Produktionszellen zusammengesetzt werden. Die Forschung hat gezeigt, dass diese Art der Immunisierung sowohl zu einer zellulären als auch zu einer adaptiven Immunantwort (mit Antikörpern) führen kann.
Die Problematik dieser Impfstoffe besteht zunächst darin, dass Erbinformation in die Körperzellen eingeschleust werden. Insbesondere DNA-Impfungen erwiesen sich bisher als nicht sehr effizient, weil DNA-Moleküle schlecht von den Zellen aufgenommen werden. Wenn die Aufnahme in die Zelle gelingt, muss die DNA in den Zellkern gelangen, wo sie in mRNA umgeschrieben werden kann. Diese muss danach in Virusprotein übersetzt werden, gegen das die Immunantwort erfolgen soll. Ein Problem ist dabei, dass die Menge an Nukleinsäuren (DNA) und der damit synthetisierten Proteine in der menschlichen Zelle nicht ausreicht, um eine ausreichend starke Immunantwort zu erzeugen.
DNA-Vektorimpfstoffe
Die Entwicklung von sogenannten DNA-Vektorimpfstoffen ist der Versuch, diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Diese Impfstoffe werden aus relativ schwachen Viren hergestellt, die typischerweise eine harmlose Erkältung beim Menschen verursachen (zurzeit meistens Adenoviren). Die virulenten (= krankheitserregenden) Gene werden aus dem Erbgut dieser Viren entfernt, während die viralen Genschalter erhalten bleiben. Dann wird in das Erbgut des harmlosen Virus ein Gen aus demjenigen Virus eingefügt, gegen das eine Immunantwort erzeugt werden muss. Im Fall der Covid-19-Impfstoffe ist dies ein SARS-CoV-2-Gen, das für das virale Spike-Protein codiert.
Nach Injektion des modifizierten Virus, das das Gen von SARS-CoV-2 enthält, in den menschlichen Körper wird es von den körpereigenen Zellen aufgenommen. Auch hier muss die Vektor-DNA in den Zellkern gelangen und in mRNA umgeschrieben werden, woraufhin diese Zellen dann mit der Produktion des Spike-Proteins beginnen, das dann dem Immunsystem präsentiert und von diesem als körperfremd erkannt wird. Dies ruft dann sowohl eine zelluläre als auch eine Antikörper-Immunantwort hervor.
Es handelt sich hier um eine intelligente Nutzung von biochemischen Mechanismen, um Menschen zu immunisieren. Diese Technologie wird zurzeit bei dem Impfstoff AZD1222 der Firma Astra-Zeneca genutzt. Aber auch der russische Impfstoff Sputnik-V und der Impfstoff der Firma Johnson & Johnson sind DNA-Vektorimpfstoffe.
mRNA-Impfstoffe
Bei den Covid-19-mRNA-Impfstoffen handelt es sich um eine SARS-CoV-2-mRNA, die für das virale Spike-Protein codiert, die in einer Lipidhülle verpackt ist. Die mRNA in dieser Hülle ist aber nicht einfach die gleiche mRNA, wie sie in unseren Zellen vorkommt, sonst würde sie innerhalb kürzester Zeit abgebaut werden. Um die Stabilität zu erhöhen, wurde einer der Bausteine der viralen mRNA, nämlich Uracil, durch Pseudo-Uracil ersetzt. Nach der Injektion hat die mRNA dadurch viel mehr Zeit, in die Zellen einzudringen und dort zu verbleiben. Der Vorteil ist, dass die mRNA sofort in das virale Spike-Protein übersetzt werden kann, um die Immunantwort auszulösen. (Dagegen muss DNA wie oben erwähnt zuerst in mRNA übersetzt werden, bevor das virale Spike-Protein erzeugt werden kann.)
Im Herbst 2020 meldeten verschiedene Biotechnologie-Firmen Durchbrüche bei der Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen; die Meldungen erfolgten meist durch die Pressestellen der Firmen und wurden in den Tagesmedien verbreitet. Neben anderen war ein von BioNTech und Pfizer entwickelter mRNA-Impfstoff ein euphorisch kommentiertes Produkt [7, 8]. Zwei Pharmaunternehmen, das in den USA ansässige Unternehmen Pfizer und das deutsche Unternehmen BioNTech, gaben bekannt, dass sich ihr mRNA-basierter Impfstoffkandidat BNT162b2 bei den Studienteilnehmern zu mehr als 90% wirksam hinsichtlich der Prävention von Covid-19 erwiesen hat [8, 9]. Allerdings zeigte er bei 17% der getesteten Personen Nebenwirkungen [9]. [s. u. „Aktualisierung April 2022“]
Sind antigencodierende Impfstoffe gefährlich?
Es sind besonders diese neuartigen mRNA-Impfstoffe, die in manchen Medien heftig kritisiert werden, weil damit angeblich Menschen genetisch manipuliert, sie zu „Mutanten“ gemacht würden. Es wird oft behauptet, dass diese Impfstoffe in der Lage seien, unser Erbgut zu verändern. Können sie das tatsächlich?
Nach der gängigen Meinung, die auch in den Medien immer wieder zu hören ist, sind mRNA-Impfstoffe in dieser Hinsicht unbedenklich. Spektrum der Wissenschaft schreibt zum Beispiel: „‚Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass die von den Körperzellen nach der Impfung aufgenommene mRNA in DNA umgeschrieben wird‘, schreibt dazu das für Impfstoffzulassungen zuständige Paul-Ehrlich Institut.“ [10]
Vollkommen ausschließen kann man eine genetische Veränderung von Lebewesen durch mRNA-Impfstoffe aber dennoch nicht. Zum Verständnis müssen wir einen genaueren Blick auf das menschliche Genom (Erbgut) werfen.
Das menschliche Genom enthält ca. 20.000 Protein-codierende Gene sowie eine derzeit noch schwer abschätzbare Anzahl von regulatorischen RNA-Genen. Zusammen mit weiteren regulatorischen Sequenzen wie z. B. genetischen Schaltern machen diese Gene etwa 25% des Genoms aus. Darüber hinaus bestehen etwa 50% des Genoms aus Sequenzen, die im Genom flexibel verschoben werden können (sog. Transposons) und deren Funktion und Bedeutung wir erst ansatzweise kennen. Es scheint sich vor allem um (epi-)genetische Schaltelemente zu handeln, die die Expression (Ausprägung) genetischer Programme steuern, also die Nutzung von Genen regulieren. Es gibt Hunderttausende dieser Elemente in unserem Genom.
Es ist wichtig zu wissen, dass jedes dieser transponierbaren Elemente für zwei Enzyme codiert: die Reverse Transkriptase (abgekürzt RT) und die Integrase (abgekürzt INT). Die Besonderheit des RT-Enzyms besteht darin, dass es ein RNA-Molekül in ein DNA-Molekül umwandeln kann, während das INT-Enzym dieses neu gebildete DNA-Molekül in die körpereigene DNA einbauen kann. Das bedeutet also, dass grundsätzlich biochemische Mechanismen vorhanden sind, fremde RNA-Abschnitte in körpereigene DNA umzuschreiben und diese in das vorhandene Erbgut zu integrieren. Damit könnten sich also auch genetische Veränderungen ereignen.
Diese Gefahr ist auch bei den DNA-Vektorimpfstoffen nicht auszuschließen, da die Vektorviren das genetische Material (DNA) sogar direkt in den Zellkern einschleusen und damit das Potenzial haben, das Genom zu verändern.
Die unter hohem Druck in sehr kurzer Zeit entwickelten neuen antigencodierenden Impfstoffe, deren Wirkung auf die Minderung oder Vermeidung von Krankheitssymptomen mit dem SARS-CoV-2-Virus Infizierter abzielt, konnten bisher natürlich nur begrenzt, d. h. v. a. auf kurzfristige Effekte hin, getestet werden. Langfristige Aspekte, wie z. B. die Wirkdauer, aber insbesondere auch eine mögliche Genotoxizität werden sich erst im weiteren Verlauf erweisen. Genotoxizität bedeutet, dass der Einbau in die DNA die genetische Regulation stört, was zu genetischen Fehlfunktionen führen kann.
Die zurzeit verwendeten Covid-19-Impfstoffe haben nach einem beschleunigten Verfahren (Rolling Review) durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) eine bedingte Zulassung erhalten – das ist zwar keine Notzulassung, wie sie in den USA oder in Großbritannien erfolgt ist, aber es müssen dennoch innerhalb festgelegter Zeiträume etliche noch fehlende Daten nachgeliefert werden. Es ist also zu erwarten, dass wir seltene Nebenwirkungen und auch Langzeitwirkungen auf diese Weise erst zukünftig entdecken und darauf reagieren können, wenn in Europa und weltweit bereits sehr viele Menschen diese neuartigen Impfstoffe erhalten haben.
Die mediale Verbreitung auch vorläufiger und noch wenig geprüfter Erkenntnisse stellt die Bevölkerung unabhängig von deren fachlicher Kenntnis vor die Herausforderung, Entscheidungen treffen zu müssen, ohne dabei auf Erfahrungen oder Vorwissen zurückgreifen zu können. So sehen wir einerseits eine große Besorgnis wegen der Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion vor allem für bestimmte Bevölkerungsteile (Risikogruppen). Andererseits stehen nun Impfstoffe zur Verfügung, bei deren Einsatz zwar die Vermeidung schwerer Verläufe einer Covid-19-Erkrankung erwartet wird, deren Wirksamkeit und Sicherheit jedoch bisher nur im Rahmen sehr kurzer Studien mit relativ kleinen Gruppen von Probanden erwiesen werden konnte. Hinsichtlich der Nebenwirkungen bei Risikogruppen und der Langzeitnebenwirkungen für die gesamte Bevölkerung bleiben noch viele Fragen offen [11]. An der Beantwortung dieser Fragen muss noch lange Zeit intensiv gearbeitet werden.
Dank: Wir danken Isabelle Aberham für zahlreiche wertvolle Hinweise.
Aktualisierung April 2022: Die Aussagen über Nebenwirkungen der Impfstoffe ist eine damalige Momentaufnahme kurz nach der bedingten Zulassung. Mittlerweile liegen sehr viele Studien über unerwünschte Impffolgen vor, die einer eigenen Darstellung bedürften, was hier vorerst nicht geleistet werden kann. Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 gibt für Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut heraus; es gibt allerdings zahlreiche Hinweise darauf, dass diese deutlich untererfasst sind.
Anhang
Werden menschliche embryonale Stammzellen bei der Entwicklung, der Produktion und der Testung der antigencodierenden Impfstoffe verwendet?
Diese oder ähnlich lautende Fragen erreichten uns mehrfach. Daher an dieser Stelle eine kurze Stellungnahme:
In der medizinischen Forschung und bei der Herstellung und Entwicklung von Impfstoffen werden viele verschiedene Zelltypen verwendet.
Der Impfstoff ChAdOx1 der Firma Astra-Zeneca wurde mithilfe gentechnisch veränderter menschlicher embryonaler Nierenzellen (HEK293) produziert, die ursprünglich aus der Niere eines 1973 abgetriebenen Fötus gewonnen wurden. Zudem wurden in der Testphase MRC-5 Zellen, die ursprünglich im Jahr 1966 aus der Lunge eines 14 Wochen alten abgetriebenen männlichen Fötus gewonnen wurden, verwendet [12]. Aber auch die mRNA- und manche anderen Impfstoffe verwenden embryonale Zellen zur Testung bzw. Produktion.
Sogenannte „Faktenchecker“ versichern immer wieder, dass der Impfstoff der Firma Astra-Zeneca keine Stoffe aus fötalen Zellen enthält. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, da solche Zellen für die Herstellung verwendet werden. Diese Zelltypen stammen von lebend abgetriebenen Babys, was in den Augen unseres Herrn eine Sünde ist. Diese Problematik ist nicht spezifisch für Covid-19-Impfstoffe, sondern besteht oft bei der Entwicklung von Pharmazeutika, insbesondere von Impfstoffen.
Quellen
- Grifoni et al. (2020) Targets of T cell responses to SARS-CoV-2 Coronavirus in humans with COVID-19 disease and unexposed individuals. Cell 181, 1489–1501. https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(20)30610-3
- https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2020-24/inland/warum-alle-falsch-lagen-die-weltwoche-ausgabe-24-2020.html
- Braun et al. (2020) SARS-CoV-2-reactive T cells in healthy donors and patients with COVID-19. Nature 587, 270–274.
https://www.nature.com/articles/s41586-020-2598-9 - Cervia et al. (2020) Systemic and mucosal secretion specific to SARS-CoV-2 during mild versus severe COVID-19. bioRxiv, https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.05.21.108308v1.full
- Pardi N, Hogan MJ & Weissman D (2020) Recent advances in mRNA vaccine technoloy. Curr. Opinion Immun. 65, 14-20.
- Servick K (2020) mRNA next challenge: will it work as a drug? Science 370, 1388–1889.
- Cohen J (2020) Incredible milestone for science. Pfizer and BioNtec update their promising COVID-19 vaccine result. https://www.sciencemag.org/news/2020/11/covid-19-vaccine-trial-complete-pfizer-and-biontech-update-their-promising-result
- BIONTECH: https://biontech.de/de/covid-19
- New England Journal of Medicine: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2027906
- Spektrum der Wissenschaft: https://www.spektrum.de/news/so-sicher-sind-rna-impfstoffe/1803899
- https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2034577
- https://www.nature.com/articles/227168a0